Der Nabel der Musik
MUSIKTAGE MONDSEE / MINGUET QUARTETT, JULIAN BLISS
05/09/17 Zum bereits 29. Mal wird neun Tage lang Kammermusik im Salzkammergut geboten, unter der Woche nicht immer in ganz vollen Räumen. Schreckte womöglich Name Wolfgang Rihm ab? Müsste und sollte durchaus nicht sein, wenn sich das Minguet Quartett derart exemplarisch für ihn engagiert.
Von Horst Reischenböck
Musik von Rihm, der kürzlich seinen 65. Geburtstag feierte, steht heuer in den Mondsee-Konzerten oft solcher von Beethoven gegenüber. Am Montag (4.9.) aber zuerst Brahms, der seine Klarinettensonaten (sie sind bekannter in der Bearbeitung für Viola) im Sommer 1984 in Bad Ischl schuf. Das mag sich hörbar im Ländler-artigen Allegretto grazioso der umfangreichen f-Moll-Sonate op. 120 Nr. 1 niedergeschlagen haben. Julian Bliss aus Großbritannien widmete sich und sein „süßes Hölzl“ ausdrucksstark diesem Stück, das zumindest in den Ecksätzen durchaus Arnold Schönbergs Diktum vom damals „progressiven“ Brahms entspricht. Sein Solo führte Bliss tonschön in bewusste Konfrontation zum Partner Peter Orth am Fazioli-Flügel.
Wolfgang Rihm trat erst mit einem 4. Streichquartett an die Öffentlichkeit. Zwei kurze Einsätzer, die er als 18-jähriger komponiert hatte, und die Nr. 3 von 1976 mit dem Titel „Im Innersten“ hatte er vorerst zurückgehalten. Mittlerweile sind Rihms Beiträge zur Gattung Streichquartett bereits auf nicht weniger 14 Werke angewachsen und vom Minguet Quartett auch komplett auf CD eingespielt.
Seine Rihm-Kompetenz brachte das Ensemble auch in die drei jeweils knapp 6 Minuten dauernden Sätze des Quartetts Nr. 4 ein. Der Komponist selbst apostrophierte es als „Nachzügler und Vorbote“ auf Kommendes. Gleich überrumpelnd brutal wirkt der Einstieg ins kämpferisch marziale agitato Allegro. Ihm folgt ein nicht minder hektisch, nur kurz durch melodische Floskeln unterbrochen zweiter Satz, den erst finale Flageolett-Töne beruhigen. Erneut subito appassionato durch Einsprengsel gestört, um endlich leise col legno zu verklingen. Ulrich Isfort und Annette Reisinger (Violinen), Aora Solin (Viola) und Matthias Diener (Violoncello) waren mit Herzblut dabei, frappierend und spontan begeisternd. So angespannt, dass sich die Bratscherin mitunter öfters vom Sitz löste.
Ähnlich engagierte sich das Minguet Quartett auch nach der Pause für Beethovens ausgedehntes Quartett Nr. 14 in cis-Moll op. 131, dessen sieben Teile nahtlos ineinander übergehen. Weniger ätherisch vergeistigt denn bodenständig die eröffnende Fuge, wie auch später in den langsamen Abschnitten durch reichlich viel Vibrato von Cello und Erster Geige irritiert. Dafür wurden die bewegten Sätze bis ins stürmische letzte Allegro rhythmisch und dynamisch ausgekostet.
Die aufgestaute Erregung wurde in der Zugabe beruhigt, mit Annette Reisingers Streichquartettfassung von Gustav Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“.