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Auf halber Strecke liegen geblieben

REST DER WELT / MÜNCHEN / LA CLEMENZA DI TITO

20/02/14 Mit der Neuproduktion „La clemenza di Tito“ stellte sich Generalmusikdirektor Kirill Petrenko den Münchnern nach seinem sensationellen Strauss-Debüt letzten November nun als Mozart-Dirigent vor. Die Aufführung befriedigt musikalisch teilweise. Szenisch wirkt sie schon kurz nach der Premiere abgestanden.

Von Oliver Schneider

Im hoch gefahrenen Graben lässt Petrenko das Bayerische Staatsorchester musizieren, das so in die Geschehnisse integriert wird. Schon in der Ouvertüre ist deutlich hörbar, das Petrenko sich intensiv mit dem Gedankengut der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis auseinandergesetzt hat. Das Klangbild ist aufgelichtet, vor allem die Holzbläser artikulieren bewusst, und gleichwohl entsteht ein runder, organischer Zusammenklang. Die schönsten Momente in der orchestralen Begleitung gelingen Petrenko und dem Orchester in den beiden Arien des Sesto, in denen Tara Erraught mit einem herrlichen lyrischen Feingefühl geradezu durch die Arien getragen wird. Ansonsten bleibt der Eindruck zurück, dass das Orchester auf halber Strecke stehengeblieben ist. Noch mehr Klarheit, vor allem in den Streichergruppen, eine stärkere Akzentuierung und mehr Agilität wären nötig, um dem Abend mehr Leben einzuhauchen. Auch an den (nicht von Mozart stammenden) Rezitativen hätte man noch arbeiten müssen. Dass man auch in dem für das Barock- und das Klassikrepertoire suboptimalen Nationaltheater mehr herausholen kann, haben andere Dirigenten in den letzten Jahren bewiesen.

Für pures Hörvergnügen sorgt hingegen das junge Ensemblemitglied Tara Erraught, die als Sesto in Zukunft wohl auch an anderen großen Häusern gefragt sein wird. Ihr „Parto, ma tu ben mio“ mit der obligaten dominanten Bassettklarinette, welche für die von ihm angebetete Vitellia steht, und das „Deh per questo istante solo“ gestaltet sie so eindrücklich mit ihrem schmiegsamen Mezzosopran, dass die beiden Arien zu den Höhepunkten des Abends werden.

Mit gebührendem Abstand können noch die Sänger der kleineren Partien mithalten, die allesamt wie Tara Erraught zum Ensemble der Staatsoper gehören: Hanna-Elisabeth Müller als Sestos Schwester Servilia in einer Mischung aus Barock- und Pop-Look (Kostüme: Victoria Behr), Angela Brower als Annio und Tareq Nazmi, den Regisseur Jan Bosse zu einer Art Osmin verwandelt hat.

Nicht dem Niveau des Hauses entsprechen die Besetzungen der anderen beiden Hauptpartien, auch wenn das Publikum sie am Ende der besuchten dritten Vorstellung lange gefeiert hat. Krist?ne Opolais, ebenfalls in einem Barock-Pop-Look und mit einem Reifrock, mit dem sie kaum gehen, geschweige denn Treppen steigen kann, mag den Machthunger und die Dämonie der Vitellia, der Tochter des von Vespasian vom Kaiserthron verstossenen Vitellius, darstellerisch adäquat vermitteln, stimmlich ist sie keine Idealbesetzung. Sie geht die Partie von Anfang an mit zu viel Druck an. Zudem wird ihre Stimme in der Höhe unangenehm schrill, nicht nur in den unbequemen Sprüngen in ihrem abschließenden Rondo. Noch problematischer ist die Besetzung des Tito mit Toby Spence, der im augenblicklichen Zustand seiner Stimme mit dem Tito überfordert ist, was in „Se all’impero, amici Dei“ in einer unsteten Stimmführung und einem Kampf durch die Koloraturen endet.

Die Inszenierung von Jan Bosse schließlich kommt nicht über eine ansprechende Bebilderung hinaus, wirkt allerdings bereits in der zweiten Reprise so, als ob sie seit Jahren im Repertoire gespielt würde. Das liegt vor allem daran, dass die Sänger außer Vitellia von Bosse nicht angeleitet werden, den Protagonisten Leben einzuhauchen. Bosse lässt zwischen den Personen keine Interaktion entstehen. Stattdessen müssen sie im ersten Teil die steilen Stufen eines antikisch-klassizistischen Amphitheater-Halbrunds immer wieder hinunter- und herauflaufen, dessen abgrenzenden ionischen Säulen und Balkone die Gestaltung der Proszeniumslogen im Nationaltheater aufnehmen (Bühnenbild: Stéphane Laimé). Nach dem Brand Roms im zweiten Akt bleibt vom Theater im Theater nur das Eisengerüst der Stufen im nackten schwarzen Bühnenraum übrig, bis dann am Schluss die weißen Säulen und Balkone wieder herangefahren werden, als Zeichen, dass die immerwährende Milde des Kaisers einmal mehr alles Böse besiegt hat. Jeglichen Sinns entbehren die Sängergesichter in Video-Grossaufnahmen, genauso wie ein Gag bei Publios erstem Auftreten, der die in den Proszeniumslogen platzierten Römerinnen (der von Sören Eckhoff einstudierte Chor als sicherer Garant) mit Küsschen rechts und links beglückt.

Bis 26. Februar sowie während der Opernfestspiele am 16. und 19. Juli – www.bayerische.staatsoper.de

 

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