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Hinabsteigen zum Licht

REST DER WELT / MÜNCHEN / ÄGYPTEN-MUSEUM

02/08/13 Münchens Altägypten ist im 21. Jahrhundert angekommen. Im „Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst“, der rezenten Bereicherung des allmählich zum leitsystematisch zu erschließenden Kunstareal avancierenden Pinakotheken-Quartiers, wurde es zum Schau-Ereignis der Spitzenklasse.

Von Hans Gärtner

107Sechs Zentimeter – größer ist er nicht, der Kalksteinkopf einer Königsfigur, gut 4250 Jahre alt, die vermutlich den Pyramidenbauer Cheops darstellte. Das von einem LED-Spot bestrahlte Mini-Exponat liegt in einer schlanken, hohen Glasvitrine, gewiss hundertmal höher als das gezeigte Stück selbst, das dadurch aber eine transparente Monumentalität erfährt, die eindrucksvoller nicht sein kann.

111Wer daran teilhaben will, muss, nein: darf gewissermaßen „hinuntersteigen zum Licht“, nach einer   altägyptischen Weisheit. Im grabesdunklen Diesseits wurde, für den alten Ägypter, gestorben, im lichthellen Jenseits gelebt. Flach ist die breite Außensteintreppe, die von der Straße gegenüber der Alten Pinakothek in die unterirdisch liegenden Museumssäle im grandios sich hinstreckenden Bau der vor zwei Jahren bereits in Betrieb genommenen Hochschule für Film und Fernsehen an der (hoffentlich recht bald verkehrsberuhigten) Gabelsberger Straße führt. Den Besucher überkommt sofort das Gefühl, in einen Niltempel abzutauchen. Die unerhört hohen Räume, die die Kölner Architekten Peter und Gottfried Böhm aus Beton, Stahl und Glas erstehen ließen, holen ihn aber in die museale Realität zurück. Diese öffnet sich ihm in gut strukturierten, in den Wechsel von Tages- und Kunstlicht  getauchten Abteilungen, zu denen ihn mal weite, mal schmale Gänge führen. Inhaltlich klar und formal knapp beschriftet, folgt er dem vorgeschlagenen Prozessionsweg. Immer mehr wird ihm dabei bewusst, wie optimal heutzutage Altehrwürdiges seiner speziellen Wirkung zugeführt wird.

110Staunen erfasst den Besucher immer wieder dann, wenn er mehr und mehr die bisherige Enge der durchaus berühmten Münchner „Ägyptischen Sammlungen“, die seit 1935 die Residenz am Hofgarten barg, als überwunden erfährt und die Schätze nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert aufnehmen kann. Unterstützend gewahrt er digitale Medienstationen, die den Besuch des neuen Museums, das Lebenswerk der klug und besonnen handelnden Direktorin Sylvia Schoske, ästhetisch und emotional zum Erlebnis machen.

109Die zum bedeutenden Teil auf Bayerns König Ludwig I. zurückgehende ehrgeizige Ägypten-Sammlung „Isar-Athens“ präsentiert sich auf didaktisch überlegte, den seltenen, oft erlesenen Exponaten und ihrer historischen Funktion angepasste, durchaus aber auch  unmerklich amüsante Art – als Kunstmuseum. Zwei Riesensäle gehören dem Schwerpunkt „Skulptur“ mit „Kunst und Form“ und 108„Kunst und Zeit“. Themenräume folgen: „Pharao“, „Fünf Jahrtausende“, „Jenseitsglaube“, „Religion“, „Ägypten in Rom“, „Nach den Pharaonen“, „Schrift und Text“, „Kunst-Handwerk“, „Nubien und Sudan“ sowie „Alter Orient“. Für Sehbehinderte ist Ägypten (wie) zum Anfassen gemacht. Der Firma „Die Werft“ mit Christian Raißle und Matthias Kammermeier gelang ein Meisterstück sachgerechter Innen-Architektur.

Während zum Beispiel der Themenraum „Jenseitsglaube“ von der goldschimmernden Sargmaske der Königin Satdjehuti  (so genannte Zweite Zwischenzeit, 17. Dynastie) beherrscht wird, hält sich beim Thema „Nach den Pharaonen“ eine Serpentinit-Figur der sitzenden Muttergottheit Isis unter einem Glasverschlag bescheiden im Hintergrund. Der Horusknabe auf ihrem Schoß ist stark beschädigt. Wir haben es hier mit dem aus der Zeitenwende stammenden ikonographischen Vorbild für das Motiv der „stillenden Gottesmutter“ zu tun. Geradezu kolossal wirkt dagegen die vermutlich aus der Villa Kaiser Hadrians in Tivoli stammende Marmorstatue des Kaiser-Günstlings Antinous. Er starb bei einer gemeinsam unternommenen Reise um 130 n. Chr. am Nil und wurde daraufhin, landauf landab gottähnlich verehrt.

Das Münchner „Staatliche Museum Ägyptischer Kunst“ (SMAEK) ist Dienstag von 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet - www.aegyptisches-museum-muenchen.de
Bilder: dpk-H.Gärtner (3); Staatliches Museum Ägyptischer Kunst (2)

 

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