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Im Ballon nach Walhall

REST DER WELT / GENF / RHEINGOLD

11/03/13 Dieter Dorn holt im Wagner-Jubiläumsjahr in Genf ein Münchner Versäumnis nach und inszeniert Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Nach der „Rheingold“ Premiere am Samstag (11,3,) gab es einhelligen Jubel für das Regieteam, Ingo Metzmacher und die Solisten.

Von Oliver Schneider

Als Dieter Dorn in München die Kammerspiele und später das Staatsschauspiel leitete, fehlte ihm die Zeit, sich Wagners Trilogie mit Vorspiel zu widmen. Nun nimmt er sie sich und setzt Wagners musikalisches Epos innerhalb rund eines Jahres in Szene, wobei ihm einmal mehr Jürgen Rose als Ausstatter zur Seite steht: in Genf, dessen Opernhaus immer wieder mit ganz unterschiedlichen Regiehandschriften auf sich aufmerksam macht.

Wenn bei geöffnetem Vorhang vor Beginn Gewalt- und Kriegsbilder auf die schwarz ausgekleidete, leere Bühne projiziert werden, heisst das nicht, dass den Zuschauer in den nächsten 150 Minuten ein Verlegen der Handlung ins Heute erwartet. Es ermuntert vielmehr dazu, die Parallelen selbst zu erkunden. Mit dem Es-Dur-Akkord füllt sich die Bühne mit Menschen und Gegenständen. Zunächst fahren die Nibelungen einen großen Stapel von Kisten auf die Bühne, aus denen die Rheintöchter entsteigen, um dann Rollschuh laufend ihre Kreise zu ziehen. Alberich scheint auf dem Grund des Rheins noch ein ganz jovialer, nach Zuneigung suchender Typ zu sein; durch stimmliche Homogenität zeichnet sich das Damentrio aus. Von rechts rollen die Nornen bereits den Schicksals-Wollknäuel über die Bühne, womit der Bogen zur „Götterdämmerung“ gespannt ist.

Die Götter campieren in der Folgeszene noch im Zelt und studieren die Baupläne von Walhall. Dominiert auf dem Flussgrund und natürlich in Nibelheim das Schwarz, so taucht Rose die Bühne in den Götterszenen mit einem die halbrunde Spielfläche abgrenzenden Vorhang in symbolisches Weiß. Auch die Götter sind weiß gekleidet, nur der listige und falsche Feuergott Loge trägt wie die Nibelungen von Anfang an Schwarz. An seine Funktion gemahnen rote Schuhe und Handschuhe. Dass der Schlaukopf den eitlen Götter-Schwächlingen Froh und Donner sowieso und auch Wotan überlegen ist, zeigt Dorn in seiner minutiösen Charakterisierung. Von diesem effeminierten Feuergott hängt der weitere Verlauf der folgenden Ereignisse ab. Einen besonders abgerundeten Eindruck hinterlässt die letzte Szene nach dem Auslösen Freias gegen das Nibelungengold, an dessen Ende die Götter schließlich im Heissluftballon nach Walhall schweben. Doch die dunklen Wolken, von denen die allwissende Erda gesprochen hat, ziehen mit ihnen: Der Ballon ist schwarz.

Konzeptionell ähnlich wie Andreas Kriegenburg in München, Sven-Eric Bechtolf in Wien und Tankred Dorst im letzten Bayreuther Ring wollen Dorn und Rose den Ring-Mythos schlicht und einfach erzählen. Die Deutung überlassen sie dem Zuschauer selbst, was bei einem Allgemeingut wie dem „Ring“ legitim ist. In Anbetracht der reichen Aufführungsgeschichte muss man sich sogar lieber eine solide Nacherzählung als eine aufgesetzte Interpretation wünschen, die neben den interpretatorischen Meilensteinen der letzten 36 Jahre womöglich wie ein lauer Zweitaufguss wirkt. Dafür ist Dorn die richtige Wahl, denn er weiß, worauf es in der Personenführung ankommt. Nach dem „Rheingold“ wagt man die Prognose, dass dieser Ring zwar keine neuen Erkenntnisse bringen wird, aber dafür fesselnde Erzählungen.

Nicht nur der Regisseur ist in Genf ein Debütant, sondern auch der Dirigent, der diesen Ring eigentlich mit Christof Loy hätte produzieren sollen. Ingo Metzmacher trägt die Solisten bildlich gesprochen auf Händen, so sehr nimmt er das Orchestre de la Suisse Romande mit seinem hellen Klang immer wieder zurück und lässt Raum für die Deklamatorik der Solisten. Metzmacher setzt auf ein schlankes und durchsichtiges Wagner-Klangbild. Gleichwohl gelingt es ihm, das Mythenhafte in seiner Lesart zu transportieren. Einen Vorgeschmack auf das, was man von Metzmacher und dem Genfer Traditionsorchester spätestens ab dem dritten Siegfried-Akt erwarten darf, bietet hingegen das kraftvolle Zwischenspiel vor der Nibelheim-Szene.

Sängerisch bietet dieses „Rheingold“ ebenfalls gutes Niveau. Mit Tom Fox als heldischem kantablem Göttervater, Elena Zhidkova als fordernder Fricka und mit John Lundgren als machtbesessenem Alberich. Andreas Conrad gibt den Mime mit kernigem und geschmeidigem Charaktertenor. Die beiden Riesen sind mit Alfred Reiter als Fasolt und Steven Humes als Fafner ausgezeichnet besetzt. Maria Radner setzt schließlich als mahnende Erda einen pastosen Ruhepol.

Bis 24. März. Das Ring-Projekt wird am 7. November mit der „Walküre fortgesetzt. - www.geneveopera.ch
Bilder: GTG / Carole Parodi

 

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