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Vom geistlichen Pupperl zum Popperl

REST DER WELT / FREISING / „SEELENKIND“

24/12/12 Seelenkind? Seelentröster. Oder Herzenskind. Die Bezeichnungen für das Christkind drücken eine tiefe emotionale Bindung aus. Verließ eine Novize ihre Familie und ging ins Kloster, um Nonne zu werden, bekam sie ein „Kindl“ mit. Als ihre Mitgift. – Das Diözesanmuseum Freising zeigt die kostbarsten Exemplare aus bayerischen Klöstern.

Von Hans Gärtner

Diese Gabe konnte ein wächsernes Jesulein sein, auf seidendrapiertem Bettchen liegend, mit Fatschenbändern aus Silberlamé, sündteure Anhänger als Auszier. Oder ein „inkarnatiges  „Trösterlein“ mit echt wirkenden Glasaugen: über der Nacktheit ein knöchellanges Seidengewand, dazu Häubchen, Gürtel, Gängelbänder und Schühlein, Pailletten-bestickt und Leder-besohlt. Die junge Klosteranwärterin stellte ihr „Kindl“ altarähnlich in der karg möblierten Zelle auf. Sie kleidete es weniger nach eigenem Geschmack denn nach liturgischer Erfordernis, herzte und wiegte es mütterlich – als wär`s ihr eigen Fleisch und Blut.

Zweihundertfach begegnet dem Besucher der Ausstellung „Seelenkind“ im Freisinger Diözesanmuseum das Christkind. Als Skulptur aus Holz, Wachs, Elfenbein. Auf Leinwand oder Holz gepinselt, gedruckt als  Andachtsbildchen für Schrank oder Gebetbuch. Die lebensechten „Pupperl“ sind in Kästchen und Schreinen geborgen, die vergoldet sind und mit Samt ausgeschlagen. Hier auf Stühlchen thronend, dort auf Sockeln stehend, die Weltkugel oder den Kreuzstab tragend. Oder auf Krippenstroh gelegt und behütet von Maria, Joseph, Ochs und Esel samt jubilierender Engelschar. Bald selbstständig, bald  als Zentrum der Heiligen Sippe oder des Heiligen Wandels.

Am originellsten und am ältesten: Das fingerlutschende Jesuskind aus Mindelheim, 14. Jahrhundert. Alle in Freising versammelten „Kindl“ stammen aus bayerischen Frauenklöstern. Die Schwestern liehen sie, oft unter Bedauern, für eine Zeit aus – manchmal legten sie, nicht ohne Stolz, die possierliche Garderobe bei, die in ihrer Fülle und Vornehmheit , von Kronen und Perlenketten, Brustkreuzen und Beigaben wie Flammenherz oder Weintraube bis hin zu Strümpfen und Schuhwerk, auf liebevoll pfleglichen Umgang am Bergungsort schließen lassen und zum dreiteiligen Ausstellungs-Motto führten: „verehrt, verwöhnt, verklärt“.

Im Mittelpunkt der Verehrung – viele Klöster wie Loreto in Salzburg oder Altenhohenau bei Wasserburg a. Inn wurden zu Christkind-Wallfahrtsstätten – steht der Jesusknabe in seiner menschlichen und göttlichen Natur. Mehrfach weist er bereits in seiner Anfangs-Gestalt auf das bittere Ende hin: Leiden und Kreuzestod. Die Nonnen verwöhnten ihren kostbaren Baby-Ersatz nach allen Regeln der Kunst. Das „Pupperl“ wurde zum  „Popperl“. Als konkretes Glaubenszeugnis verklärten die Frauenkonvente die „göttlichen Haushalter“, wie sie da und dort ihr Christkind nannten.

Der erst kurz zum Museumsdirektor ernannte Münchner Volkskundler und Theologe Christoph Kürzeder, der mit seiner dritten großen Ausstellung binnen weniger Monate wieder Geschmack mit dem Geschick verbindet, der Öffentlichkeit einen neuen Aspekt Spiritualität nahezubringen, widmet die Schau den Nonnen, „die sich mit ihrer radikalen Lebensentscheidung zu einer tiefen Christusbeziehung bekennen“. Kürzeder und seinem Team gelang mit zahlreichen, oft in Staunen versetzenden, in neues Licht gesetzten, nicht selten faszinierenden Details eine sowohl reichhaltige wie kunsthistorisch innovative Präsentation bayerischer Frömmigkeitskultur. Auf den brillanten Katalog (32 Euro) mit den Farbabbildungen aller Exponate kann man nicht verzichten. Allein die ungeschönten Einblicke in heutiges Frauenklosterleben mit Schwarzweißaufnahmen des Münchner Fotografen Thomas Dashuber machen das Buch so faszinierend wie die Schau selbst.

Ausstellung „Seelenkind“, Diözesanmuseum Freising, bis 10. Februar 2013 täglich außer Montag und 24., 25. und 31. 12. von 10 – 17 Uhr. Gruppenführungen, Begleitprogramm. –  www.dimu-freising.de
Bilder: dpk-H.Gärtner

 

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