Frischer Wind am Opernhaus Zürich
REST DER WELT / ZÜRICH
06/06/12 Sie reden alle von Öffnung: der designierte Zürcher Opernintendant Andreas Homoki, der zurzeit noch die Berliner Komische Oper leitet, der neue Generalmusikdirektor Fabio Luisi und der designierte Ballettchef Christian Spuck. Die Saison eins nach der 21-jährigen Ära Pereira.Von Oliver Schneider
Die Atmosphäre scheint entspannt. Entscheidungen würden gemeinsam getroffen, heißt es, was einen fundamentalen Gegensatz zu dem darstellt, was in der Vergangenheit in diesem Haus passiert ist. Das Motto „Öffnung“ zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm, den Auftritt des Hauses, das stärker sichtbare Marketing. Und das ist bei allen Verdiensten, die sich der neue Salzburger Festspielintendant in Zürich erworben hat, auch dringend nötig. Eine gewisse Erstarrung lässt sich in den letzten Jahren trotz immer wieder herausragender Produktionen und der regelmäßig auf den Besetzungszetteln auftauchenden großen Namen nicht wegdiskutieren.
Neu wird es in Zürich „nur“ noch neun Opernneuproduktionen sowie drei neue Ballettabende geben, womit Zürich immer noch weit mehr anbietet als andere Häuser in dieser Liga. Die Spielzeit wird in Zukunft erst am dritten Septembersonntag mit einer Opernneuproduktion eröffnet, heuer „Jenufa“, inszeniert von Dimitri Tcherniakov und mit Fabio Luisi am Pult. Insgesamt wird es rund 250 Vorstellungen auf der großen Bühne geben – zehn Prozent weniger als bisher. Dank einer neuen Probenstruktur soll dafür die Qualität der Aufführungen zunehmen, was vor allem im Repertoire zu begrüßen ist. Unter Noch-Hausherrn Pereira jagte das Haus von Premiere zu Premiere.
Zu den programmatischen Hauptlinien werden in den nächsten Jahren neben dem Kernrepertoire von Mozart, Wagner und Verdi zum Füllen der Kasse neue Zugänge zur Barockoper, die Aufführung von Schlüsselwerken des 20. Jahrhunderts und die Kinderoper gehören. Wichtig ist Homoki, dass die aufgeführten Werke die Gelegenheit bieten, Theater zu spielen, wobei Claus Spahn als neuer Chefdramaturg sicherlich auch markante Akzente setzen wird. Hier zeigt sich ein deutlicher Bruch zu seinem Vorgänger, bei dem der Fokus nur zu häufig auf der musikalischen Interpretation lag, während das Geschehen auf der Bühne oft mehr ästhetische Bebilderung lieferte.
Bei den Regisseuren setzt die neue Leitung auf die bekannten Namen vor allem auf deutschen Bühnen: Sebastian Baumgarten, Tatjana Gürbaca und Christoph Marthaler. Herbert Fritsch, der 2011 mit zwei und heuer mit einer Schauspielproduktion zum Berliner Theatertreffen eingeladen ist, wird mit Peter Eötvös‘ „Drei Schwestern“ sein Musiktheaterdebüt geben. Bei den Dirigenten erwartet Zürich ein Mix aus neuen, vielen jungen Namen und bekannten Gesichtern: Alain Altinoglu, Teodor Currentzis, Patrick Lange, Cornelius Meister, Thomas Rösner und Robin Ticciati werden am Pult des Opernhaus-Orchesters stehen, das neu den Namen Philharmonia Zürich tragen wird. Zur besseren Vermarktung auch international. So steht in den nächsten Jahren eine Übersee-Tournee an. Der zwischen New York, Zürich und noch Wien hin- und her pendelnde Fabio Luisi wird neben den Neuproduktionen „Jenufa“, Rigoletto“ und „La Straniera“ von Bellini inszeniert von Christof Loy auch drei Wiederaufnahmen und Konzerte dirigieren. Für „La Straniera“ – und die Wiederaufnahme von „Roberto Devereux“ – kehrt übrigens Edita Gruberova ans Opernhaus zurück.
Christian Spuck, Noch-Haus-Choreograph des Stuttgarter Balletts, übernimmt als Nachfolger von Heinz Spoerli die Leitung des Balletts Zürich. Er wird wie bisher eine Mischung aus abendfüllenden Balletten und zeitgenössischen Choreographien bieten. So wird er in seinem ersten Jahr „Romeo und Julia“ auf die Musik von Prokofjew und „Leonce und Lena“ nach Büchners Lustspiel selbst choreographieren und einen dreiteiligen Abend mit Arbeiten von William Forsythe, Edward Clug und Paul Lightfoot zeigen.
Öffnung heißt für die neue Intendanz auch, ein neues Publikum gewinnen, was sich in einer verstärkten Jugendarbeit niederschlagen wird. Hier hat das Opernhaus definitiv Nachholbedarf. Statt einer „Zauberflöte für Kinder“ steht „Die Schatzinsel“ nach dem gleichnamigen Roman als Uraufführung des aus Berlin stammenden Frank Schwemmer auf dem Spielplan. Dazu gibt es Workshops, Schulprogramme und den Club „Opernhaus jung“
Die Sponsoren scheinen den neuen programmatischen Leitlinien folgen zu wollen, auch wenn der Geldbeutel wie zuletzt auch unter Pereira nicht mehr ganz so locker sitzt. Zürich wird aber wohl weiterhin dasjenige Opernhaus mit dem höchsten Eigenwirtschaftlichkeitsgrad im deutschsprachigen Raum bleiben. Vorausgesetzt, das Publikum lässt sich auf das neue Programm ein, was dem enthusiastisch wirkenden Leitungsteam sehr zu wünschen ist. Vieles wird ja auch gleich bleiben. Auf Homoki und sein Team darf Zürich sich auf jeden Fall freuen. Schade ist nur, dass Daniele Gatti die Musiker des „Philharmonia Zürich“ so schnell wieder im Stich lassen muss, nachdem sie doch rasch zueinander gefunden hatten.