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Aus der Zigeunerin wird eine italienische Contessa

REST DER WELT / GENF / MIGNON

11/05/12 Die Oper „Mignon“ taucht heute kaum noch auf den Spielplänen auf. Nur einige Zuckerln – Mignons „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“ oder Philines Titania-Arie – schaffen es ab und zu in die Konzertprogramme.

Von Oliver Schneider

Wer von Ambroise Thomas noch seinen gerade in Wien aufgeführten „Hamlet“ in den Ohren hat, wird überrascht sein: In der 1866 an der Pariser Opéra Comique uraufgeführten „Mignon“ mischen sich effektvolle Walzer, spritzige Gavotten, Bravourarien und tiefgründige Ensembles mit gesprochenen Dialogen, bei denen man bei der Genfer Neuproduktion dank der fabelhaften Diktion der Protagonisten keine Langatmigkeit verspürt.

Das Libretto beruht auf einer Episode aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahren“: Der junge Wilhelm Meister gerät in Liebesnöte und muss sich zwischen der koketten Schauspielerin Philine und der jungen Mignon entscheiden, die als Kind geraubt bei einer Zigeunertruppe aufgewachsen ist, von Wilhelm freigekauft wird und sich am Ende als italienische Adelige entpuppt.

Jean-Louis Benoît hat das romantische Märchen für das Genfer Grand Théâtre und die Pariser Opéra Comique als Koproduktionspartner mit stimmigen Bildern klassisch in Szene gesetzt. Blickfang sind vor allem die Kostüme (Thibaut Welchlin), die zusammen mit wenigen Versatzstücken auf der Bühne und Prospekten an die Handlungszeit von Goethes Bildungsroman erinnern. Benoîts Arbeit beschränkt sich vor allem aufs Arrangieren, was aber nicht weiter schlimm ist, weil das darstellerisch starke Ensemble die Gunst der Stunde nutzt.

Sophie Koch wandelt sich vom scheuen Zigeunerziehkind über Wilhelms Pagen zur glühend Liebenden. Stimmlich überzeugt sie mit wunderbar ausgesungenen Bögen und leuchtender Emphase. Was Sophie Koch zur Idealbesetzung macht, ist ihr Reichtum an Nuancen und Stimmfarben, mit der sie den tiefgründigen Charakter der Mignon wiederzugeben weiß.

Ihre schlaue und mit allen Wassern gewaschene Gegenspielerin verkörpert Diana Damrau, die ihr ganzes komödiantisches Feuer in ihr Spiel einbringt. Spritzig und lebhaft gibt sie die „große“ Philine, die dringend ein Engagement und Geld braucht. Damrau macht Philines Titania-Arie zu einer Lehrstunde des Koloraturgesangs und erweitert ihr Repertoire um eine neue Paraderolle. Ihr nächster Bühnenauftritt in Wien ist übrigens die Lucia Ende Juni im Haus am Ring.

Der umworbene Wilhelm ist mit Paolo Fanale besetzt, dessen lyrischer Tenor gut fokussiert, geschmeidig und tragend ist. Eine Stimme, auf die man sich demnächst auch in Wien und Salzburg freuen darf. Nicolas Courjal verströmt beruhigenden Wohlklang als fahrender Musikanten Lothario, der sich am Ende als Mignons gräflicher Vater vorstellt. Unter der Leitung von Frédéric Chaslin musiziert das Orchestre de la Suisse Romande schon in der Potpourri-Ouvertüre duftig-leicht und gestaltet im Laufe des Abends auch die schwelgerisch-romantischeren Passagen mit engagierter Hingabe.

Weitere Vorstellungen 11., 13., 16., 18. und 20. Mai - www.geneveopera.ch
Bilder: GTG/Yunus Durukan

 

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