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Durch seine Rübe rauschet hin und wieder ein Gedanke

REST DER WELT / BERLIN / DIALOGE DER KARMELITINNEN

06/07/11 Calixto Bieito inszeniert Françis Poulencs „Dialoge der Karmelitinnen“ in der Berliner Komischen Oper: 1794 mussten die Nonnen des Klosters von Compiègne aufs Schafott steigen – und sangen dazu!

Von Jörn Florian Fuchs

Der spätberufene Katholik Françis Poulenc schuf sein einziges abendfüllendes Musiktheater 1957. Inspiriert von den Ur-Katholiken George Bernanos und Gertrud von leFort setzte Poulenc die historisch verbürgte Geschichte der 16 Karmelitinnen in eine spätromantisch-schwelgerische, gelegentlich auch ruppige Musik.

Der katalanische Regisseur und Rest-Katholik Calixto Bieito liefert an der Komischen Oper zu Berlin eine kreuzbrave, streckenweise lähmende, insgesamt ziemlich dürftige Inszenierung ab. Alles bleibt im Irgendwie und Irgendwo. Schmucklos gekleidete Frauen von heute bewohnen ein riesiges Matratzenlager aus Stahlbetten, das sich immer wieder dreht und bisweilen in grelles Licht getaucht wird. Über Monitore flimmern Gesichter, Münder, Hände. Die Todesurteile verkündet ein biederer Trenchcoatträger – vom Rang aus – mit schnarrender Stimme (eigentlich hat Poulenc diese Passage ja komponiert…), es wird sich ein klein wenig geritzt, etwas autistisch herumgezuckt und unerträglich viel verzückt geschluchzt. Das Stahl-Bühnenbild (Rebecca Ringst) sah man vor kurzem in München bei Bieitos unfassbar missglücktem Versuch einer „Fidelio“-Inszenierung, die Kostüme (Ingo Krügler) sind biedere Konfektionsware, die man ebenfalls aus vielen seiner Inszenierungen kennt.

Wenn es dann wirklich ernst wird, zieht die Regie vollends den katalanischen Schwanz ein. Die flennend umhertorkelnden Damen hängen sich Schilder mit der Aufschrift „Hure Gottes“ um, irgendwann nehmen sie sie ab und wenig später macht es im Orchester „klack“ und eine nach der anderen fällt um. Was soll das? Stirbt man bzw. Frau hier mit Brecht’scher Distanz? Und warum überhaupt? Aus (geheimen?) Selbstmordgelüsten? Oder sind alle nur verrückt und bekommen das Geschehen nicht so genau mit?

Was die Szene an Fragen und Wünschen offen lässt, beantwortet Stefan Blunier im Graben mit einer kruden Mischung aus feinen, schwebenden Schönklängen und derben Knalleffekten. Blunier scheint Poulencs Partitur durch die Brille von Kurt Weill und Igor Strawinsky zu lesen – ein weiteres Missverständnis an diesem seltsamen Abend.

Sängerisch allerdings ist vorwiegend hohes Niveau geboten. Irmgard Vilsmeier stößt als Mutter Marie kräftige Kerkertöne von sich, Maureen McKay überzeugt als Blanche mit glutvollen Glaubenszweifel-Kantilenen, sehr gut waren außerdem Christiane Oertel (Madame de Croissy) und Julia Giebel (Schwester Constance).

Das Publikum stimmte dem Bühnenblödsinn ungeteilt zu, wobei diese Reaktion angesichts des verheerenden Zustands der anderen Berliner Opernhäuser (Jürgen Flimm bietet an der Lindenoper vorwiegend biedere Importware, die Deutsche Oper will ab der kommenden Saison vor allem mit konzertanten Aufführungen reüssieren) wohl sogar verständlich ist. Calixto Bieito hingegen arbeitet weiter seinen dichten Auftragskalender ab. Demnächst könnte sogar noch Wagners „Ring“ in Mannheim hinzukommen, dort sprang gerade Christof Nel ab. Könnte man eigentlich nicht auch EU-Bürgern mal eine Saison lang Arbeitsverbot in Deutschland geben?

Weitere Vorstellungen: 3., 9., 16. Juli, im Herbst bis 3. November. - www.komische-oper-berlin.de
Bilder: Komische Oper Berlin / Monika Rittershaus

 

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