asdf
 

Millenniumskonzert trifft Gamer-Oper

AMSTERDAM / HOLLAND FESTIVAL

03/07/18 Der Amsterdamer Frühsommer hat es in sich. Weniger aufgrund der besonders eifrig gebuchten Grachtenrundfahrten und dem Trubel allerorten, sondern weil Festspielzeit ist. Das Holland Festival versammelt alljährlich große Namen an der Amstel (heuer etwa Christoph Marthaler, das Tanztheater Pina Bausch, George Benjamin), doch liegt der eigentliche Reiz gerade in den besonderen Formaten.

Von Jörn Florian Fuchs

Spektakulär – und auf eigentlich dafür prädestinierten Festivals wie den Wiener Festwochen oder der Münchner Musiktheaterbiennale nicht zu finden – war die Uraufführung der Gamer-Oper „Oikospiel II – Heat Cantata“ von David Kanaga. Kanaga spielt live sein aufwändig programmiertes Game, das surrealistische Szenerien mit konkreten, sehr unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Sujets (Klimawandel, Einfluss der amerikanischen Koch-Brüder, Identitätsfragen) verknüpft. Zwei Sänger (Claron McFadden und Mattijs van de Woerd) agieren in einem leicht ranzigen Wohnzimmer und nehmen am auf einem riesigen Screen ablaufenden Geschehen teil, ein halbes Dutzend Musiker (das Maze Ensemble) sitzt ebenfalls auf der Bühne und wird bisweilen szenisch integriert. Es ist eine völlig neue Erzähllogik, ein blitzschnelles, teilweise völlig unberechenbares Hin- und Herspringen. Bei einem – nicht geplanten – Rechner-Crash wird musikalisch virtuos improvisiert. „Heat Cantata“ betritt ebenso Neuland wie der Isländer Daníel Bjarnason, der zwölf Konzertflügel nur durch in der Nähe spielende Hörner zum Schwingen bringt, ein Großteil des Publikum begibt sich bald in die Horizontale und lauscht dieser irritierend neuartigen Musik sozusagen von innen heraus.

Die sinnlichste und zugleich experimentellste Form dieser Festivalausgabe war aber vermutlich Jem Finers „Longplayer“, eine auf 1000 Jahre angelegte Komposition mit Glocken und Elektronik, deren Material sich niemals wiederholt. Im Turm des eigenwilligen Llyod Hotels konnte man eine halbe Stunde ganz für sich allein mit den mal meditativen, mal aggressiv-kraftvollen Klängen verbringen, mit Blick auf das Treiben rundherum. Das Llyod Hotel wirkt übrigens selbst wie eine Kunstinstallation, dort waren einst Emigranten untergebracht, später jüdische Flüchtlinge. Dann wurde es ein Jugendgefängnis, danach gab es dort Künstlerateliers. Jetzt ist es ein Hotel mit Zimmern in allen Kategorien – von einem bis fünf Sternen. Beim Frühstück sind dann alle gleich, Backpacker und Businessleute...

Das Holland Festival ist am 1. Juli zu Ende gegangen – www.hollandfestival.nl
Touristische Informationen: www.iamsterdam.com
Hoteltipp: www.lloydhotel.com
Bilder: Holland Festival

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014