Opfergang im Eispalast
MÜNCHEN / GÄRTNERPLATZTHEATER / MARIA STUARDA
29/03/18 Nicht nur bei den Osterfestspielen in Salzburg inszeniert Michael Sturminger Oper. München ist ja so weit nicht weg, da sind geographische Synergieeffekte machbar. Also entstand dort beinahe zeitgleich zur Salzburger „Tosca“ eine Produktion von Donizettis „Maria Stuarda“.
Von Hans Gärtner
Das Münchner Gärtnerplatztheater, seit November letzten Jahres von Kopf bis Fuß auf Hochglanz renoviert, ist auch in puncto Programm ehrgeizig. Mit der Neuproduktion der Donizetti-Oper „Maria Stuarda“ in der italienischen Originalsprache hat es sich, nach Bellinis „Sonnambula“ vor gut zwei Jahren (noch während der Umbau-Pause des Hauses notwendigerweise im Prinzregententheater) nun erneut an ein eher selten gespieltes Belcanto-Stück gewagt. 1835 an der Mailänder Scala uraufgeführt, erreichte das Stück nicht die Popularität der „Sonnambula“, geschweige denn jene von Donizettis „Lucia di Lammermoor“.
Anthony Bramall, der neue Chefdirigent, wirft sich mit respektablem Elan in die Orchester- und Chor-Arbeit mit den hauseigenen Künstlern. Michael Sturminger knüpfte in München an seinen Erfolg mit der „Sonnambula“ an. Er brachte eine Inszenierung zustande, die man – schon der feinen Chorszenen und der sich perfekt einpassenden Chargen wegen (Levente Pall als Talbot, Matija Meic als Cecil, Elaine Ortiz Arandes als Anna) – gut anschauen kann, auch wenn der von Andreas Donhauser und Renate Martin geschaffene Drehbühnen-Eispalast mit seinen kantigen, Eisblumen-gezierten starren Glaswänden und den sieben auf und ab geschickten Muranoglas-Lüstern nicht jedermanns Sache ist. Auf eine ergreifende Kerker-Szene wartet man umsonst, dafür muss man einen scheußlichen schwarzen Kasten als Beicht-Zimmer Marias in Kauf nehmen.
Zweifellos passt das Bühnenambiente grundsätzlich zur Kühle, Grausamkeit und Tyrannei der historischen Figur Elisabeth I. von England. Physiognomisch und im Kostüm gleichen Titelheldin und Gegnerin den historischen Vorbildern aufs Haar. In Rolle und Habitus fasziniert, auch stimmlich, die geborene Chemnitzerin Nadja Stefanoff als Elisabetta I. Schon Friedrich Schiller zweifelte in seinem Sprechstück „Maria Stuart“ an der historischen Belegbarkeit des Zusammentreffens der beiden königlichen Rivalinnen, und so gerät auch in München dieser Top-Moment nicht unbedingt zur ergreifendsten Szene des Abends.
Die Höhepunkte ließen Sturminger und Bramall ihrer (wie schon als Nachtwandlerin) großartigen Hochdramatischen, die sie für die Titelpartie gewinnen konnten: der Amerikanerin Jennifer O`Loughlin. Maria Stuardas Gebet, ihre Abdankung, ihr Schuld-Eingeständnis, ihre kurze Ohnmacht vor dem Opfergang zum Schafott, ihr Verzicht auf die Liebe des auch von Elisabetta begehrten Grafen Leicester (gut aussehend, aber zu scharf intonierend und kaum berührend: der Rumäne Lucian Krasznec) – Jennifer O`Loughlin weiß darstellerisch und mit einem beispielhaft leuchtenden Sopran ihre Chancen zu nutzen und kann als Maria voll überzeugen. Jubel für die Sängerinnen.