Auf Monopoly-Schatzsuche im Opernhaus
REST DER WELT / GENF / DER ZIGEUNERBARON
22/12/17 Das Grand Théâtre de Genève begeht den Jahreswechsel mit einem neuen „Zigeunerbaron“ von Johann Strauss, den Christian Räth auf einem überdimensionierten Spielbrett satirisch über die Bühne gehen lässt.
Von Oliver Schneider
Wenn Riccardo Muti am Montag das Neujahrskonzert mit dem Einzugsmarsch aus Johann Strauss‘ Operette „Der Zigeunerbaron“ eröffnen wird, wird sich der eine oder andere Besucher aus der Westschweiz an die Bilder im Ausweichquartier der Genfer Oper erinnern. Gespielt wird selbstverständlich nicht das 1885 im Theater an der Wien uraufgeführte Original in deutscher Sprache, sondern eine geschickt gekürzte Fassung der zehn Jahre später in Paris erstmals gezeigten französischen Version. Der Regisseur Christian Räth und der Schweizer Dirigent Stefan Blunier haben die musikalischen Nummern und vor allem die (aktualisierten) Dialoge auf etwas mehr als zwei Stunden kondensiert. Die Rückkehr des verarmten Sándor Barinkay in seine Heimat, wo der Schweinezüchter Kálmán Zsupán mittlerweile die elterlichen Güter Barinkays in Besitz genommen hat, zwei Liebesgeschichten, ein Krieg gegen Spanien und das Happy End in Wien laufen so Schlag auf Schlag ab.
Räth erzählt die Geschehnisse nicht vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte, sondern als dem Heute nah verbundene, überzeichnete Komödie. Leslie Travers hat ihm dafür ein überdimensioniertes, geneigtes Spielbrett auf die Bühne gestellt, was schon deswegen passend ist, weil man nach dem vergrabenen Schatz der Barinkays sucht. Zum Spielen eingeladen ist die zu Beginn nach ihren Plätzen suchende internationale Gästeschar – wir sind in Genf! – (gut der von Alan Woodbridge und Roberto Balistreri vorbereitete Chor), die im Laufe des Abends selbst ins Spiel einsteigt. Eine Schweinefamilie – Mama, Papa und die Kinder im fünfziger Jahre Outfit und mit Schweinemasken – ist allerdings nicht erwünscht, was sich zu Beginn des zweiten Akts wiederholt. Räth will eben nicht nur unterhalten, sondern auch mahnen.
Der kaiserliche Kommissär Conte Carnero (Daniel Djambazian), der für Ordnung in den Besitzverhältnissen sorgen soll, ist in Genf der Spielmacher und Conférencier, der versucht, die Spielordnung aufrechtzuerhalten. Barinkay wird bei Räth nicht zum Zigeunerbaron gekürt, sondern zum Oberhaupt einer Rockerbande, deren Chefin bis dahin die verführerische Czipra mit langer blonder Mähne ist. Marie-Ange Todorovitch ist nicht nur darstellerisch wirkungsstark, sondern adelt die Rolle auch mit ihrem satt-fliessenden Mezzosopran. Auf ebenso hohem musikalischem Niveau präsentiert sich an diesem Abend Jean-Pierre Furlan als Barinkay. Eleonore Marguerre als Sáffi, Czipras vermeintliche Ziehtochter, in die sich Barinkay verliebt, blüht vor allem im Duett „Wer uns getraut“ mit Barinkay stimmlich auf.
Die Schweinezüchterfamilie Zsupán in passender Rosa-Kleidung löst die meisten Lacher aus, wozu auch der in die Zsupán-Tochter verliebte Ottokar, ein verzogenes, leicht zurückgebliebenes Muttersöhnchen (Loïc Félix) gehört. Die kindische Zsupán-Tochter Arsena (Melody Louledjian) passt da bestens zu ihm.
Räth und sein Team haben einen vordergründig witzigen Abend mit ausreichend Slapstick-Einlagen geschaffen, dessen ebenso vorhandener Satire-Charakter sich nach und nach erschliesst. Stefan Blunier und das Orchestre de la Suisse Romande begleiten zunächst etwas trocken, bis auch sie sich vom Schwung auf der Bühne mitreißen lassen. Freilich, ein Wienerisch-Ungarischer Strauss ist das nicht, soll es auch nicht sein, weshalb Bühne und Graben gut harmonieren.