In Rosis Himmelswerkstatt
REISEKULTUR / SIEGSDORF / CHRISTKINDL-MUSEUM
30/12/11 Gleich neben dem Mammut-Museum in Siegsdorf (südlich von Traunstein) findet man neuerdings deutlich kleinere Schaustücke: Hier ist in einem Haus mit hübscher Lüftlmalerei Deutschlands erstes Christkindl-Museum eingerichtet worden.
Von Hans Gärtner
Bisher gab es weltweit nur ein Christkindlmuseum, jenes der Sammlerin vor allem süd- und oberitalienischer Jesusknabenfiguren Hiky Mayr in Gardone am Gardasee. Während dieses in einem Palast untergebracht ist, residieren die Kindln der Bayerischen Sammlerin Rosi Bauer deutlich bescheidener, im Alten Feilhaus neben dem Mammut-Museum.
Eine glückliche Hand hatte die 1942 in Aufham geborene Rosi Bauer dabei, ihre Trouvaillen nicht nur augenfällig auszubreiten, sondern auch anschaulich zu ordnen. Ihr Anliegen, die früher bedeutenden Jesuskind-Wallfahrten Europas in Erinnerung zu bringen und sie mit Bildwerken, Gnadenbildkopien vielerlei Art – Plastiken, Grafiken, Gemälden, Devotionalien und Klosterarbeiten – zu belegen, gab ihr die Ordnung nach Ländern in den platzmäßig bescheidenen Zimmern vor. Österreich wird in einem „Kammerl“ beherbergt, das zuvor Bad, Toilette und Dusche in einem war. Nun prangen darin so kostbare Stücke wie Kopien des Salzburger Loretokindls, des Steyrer Christkindls, des Jesuskinds von Filzmoos, des Elisabethenkindls oder des Salzburger Domkindls – oft in mehrfacher Ausgabe.
Dank Rosi Bauers Aufstellungsgeschick sind die Herrlichkeiten, bei aller Gedrängtheit, übersichtlich dargeboten und akribisch aufgelistet. Dabei kam Rosi Bauer ihr reiches Wissen um die Verehrung des Jesuskindes – von Italien, Portugal, Spanien, Frankreich über die Alpenländer bis Deutschland – zupass. Ein Sammlungskatalog soll in den nächsten Jahren herauskommen, vorerst hat Rosi Bauer zwei reich bebilderte Broschüren auf eigene Kosten herausgebracht, eine über Jesuskind-Wallfahrten, eine über Klosterarbeiten, auf deren Restaurierung sie sich sehr gut versteht.
In der „Himmelswerkstatt“ werken zwei halblebensgroße, gewandete Wachsfiguren, die ihr aus einer aufgelösten Klosterwerkstatt in Linz zugefallen waren. Ursprünglich waren es Krippenfiguren, jetzt zeigt Rosi Bauer Jesu Eltern bei der Arbeit: Während die Engel das gefatschte Kindl umsorgen, stickt Maria. Und Josef tut, was die Sammlerin lernen musste, um diese und andere „vom Zahn der Zeit ramponierten religiösen Gegenstände wieder in einen verehrungswürdigen Zustand zu bringen“. Um den Christkindln Glasaugen einzusetzen, galt es, die alte Hohlgusstechnik zu erlernen – der wächserne Josef zeigt es den Museumsbesuchern.
Seit vierzig Jahren geht Rosi Bauer mit alten Materialien um. Dachbodenfunde in Frauenklöstern – ob alte wertvolle Stoffe, Nähutensilien, Auszierschmuck, Kronen, Pailletten, Bouillondrähte, Goldborten, Perlen, Glasfluss – und Flohmarktgänge nutzt die Liebhaberin religiöser Volkskunst für ihre Reparaturen. Kirchen, Klöster, Ordens- und Privatleute profitierten bereits davon. Dem Kölner Kardinal fertigte sie ein „Augustinerkindl“. Der Ruf ihrer Himmelswerkstatt drang bis nach Übersee, in den Libanon, die Ukraine, die Schweiz. Die Sammlung wächst ständig, mehr als zweihundert Christkindl, über 25 Krippen und Gnadenkindl nennt sie Rosi Bauer ihr Eigen.
Wenn Rosi Bauer einen neuen Heiligenschein für eines ihrer Kindln oder Heiligenbilder benötigt, braucht sie nur einen befreundeten Kunstschmied aus der Nähe darum zu bitten. Eines Tages wird Siegsdorf bei ihm noch einen Heiligenschein für Rosi Bauer bestellen müssen.