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Spätantike, Punkt zwölf

 

1600 JAHRE VENEDIG

26/03/21 Die Genauigkeit verblüfft: Am 25. März des Jahres 421 exakt um 12 Uhr soll der Grundstein für jene Kirche gelegt worden sein, um die herum dann die Stadt Venedig entstand. So genau glaubte man das jedenfalls in der Renaissance zu wissen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Gründungslegende berichtet auch davon, dass die Kirche als Gelübde zur Rettung vor einem Feuer errichtet worden sei. Holzhäuser muss es also schon gegeben haben im Stadtteil San Polo. Ein gewisser Marin Sanudo hat den denkwürdigen Tag (nicht die Stunde) 1514 seinem Tagebuch anvertraut.

In Wirklichkeit verhält es sich etwas anders: Die Kirche San Giacomo di Rialto – oder San Giacometto, wie die Venezianer auch sagen – ist keineswegs in der Antike erbaut worden, sondern im späten 11. oder frühen 12. Jahrhundert. Und die jetzt an diesem Platz stehenden Kirche hat außerdem mit dem ursprünglichen Gebäude nicht viel gemein, außer ein paar Säulen, die das weit vorkragende Loggiadch tragen.

Die Rialtobrände der Jahre 1531 und 1601 haben San Giacometto nämlich enorm zugesetzt, nach dem zweiten wurde sie komplett neu aufgebaut. Dabei hat man auch gleich etwas gegen das Aqua alta, das regelmäßige Hochwasser in der Lagunenstadt, unternommen und das Bodenniveau erhöht. Im Zuge des Neubaus ging leider das tatsächlich Wertvolle, die mittelalterlichen Mosaike in den Gewölben, verloren. Auf die hielt man in der Renaissance große Stücke und war sich gewiss, dass San Giacometto das Vorbild für den Markusdom abgegeben hätte.

Markant ist die große Uhr an der Fassade mit der 24-Stunden-Einteilung und nur einem Zeiger, der aus einem zentralen Sonnenrad herauszuwachsen scheint. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Genauer brauchte man es in der doch geruhsameren alten Zeit nicht zu wissen. Eine der Glocken (1394 gegossen) trägt übrigens den namen Rialtina. Ihr Läuten gab eine Zeit lang Arbeitsbeginn und -ende in der ganzen Stadt an. Venedig war noch klein und der Lärm von Touristenmassen und Motorbooten unbekannt.

Der Ursprung Venedigs liegt freilich in jenem Jahrhundert, in dem die Legende die Gründung von San Giacometto festschreibt: 408 hatten sich auf den Laguneninseln Flüchtlinge in Sicherheit gebracht, vor den Westgoten Alarichs. Es konnte in der Zeit der anbrechenden Völkerwanderung bekanntlich der Frömmste nicht in Frieden leben, auch im Veneto nicht. Und um heutzutage Ruhe in Venedig einkehren zu lassen, brauchte es die Pandemie...

Gestern, Donnerstag (25.3.) wurde Venedig also der Legende nach 1600 Jahre alt. Für die Festmesse mit dem Patriarchen von Venedig war San Giacometto auf alle Fälle zu klein, nicht mal der Markusdom reichte angesichts der vorgeschriebenen Abstände. Der Gottesdienst wurde deshalb online übertragen. Und wer nun neugierig geworden ist: San Giacomo di Rialto ist leichter zu finden als viele andere Adressen in Venedig. Von der Markusplatz-Seite über die Rialtobrücke, kerzengerade ein paar Schritte weiter: Schon ist man auf dem von Kolonaden gesäumten Platz.

Die offizielle Website zum Jubiläum – 1600.venezia.it
Bilder: Wikimedia / Didier Descouens (1); dpk-krie (2); dpk-klaba (1)

 

 

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