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Wanderungsbewegungen

HINTERGRUND / MIGRATIONSARCHIV STADT SALZBURG

29/05/17 1917 waren alleine 14.000 ostgalizische Flüchtlinge im Lager Niederalm. Ende des Zweiten Weltkriegs, im Juli 1945, hielten sich bei der Bevölkerungszahl von rund 80.000 Menschen zusätzlich ca. 66.000 Flüchtlinge in Salzburg auf, die in Barackensiedlungen und Notunterkünften wohnten.

„Die Stadt Salzburg war also 2015 nicht zum ersten Mal mit einer großen Flüchtlingswelle konfrontiert“, so Bürgermeister Heinz Schaden. Wanderungsbewegungen, Flucht und Vertreibung machen derzeit das Thema Migration zu einem allgegenwärtigen Thema. Die emotionalisiert Debatte verstellt freilich manchmal den Blick auf die historischen Tatsachen.

Man könnte das Thema Arbeitsmigration ja auch ganz anders anschauen: Fast alle Salzburger Erzbischöfe waren Zuwanderer. Arbeitsmigranten auf hohem Level, sozusagen. Selbst Salzburgs Landespatron, der Hl. Rupert, war ein fränkischer Adeliger. Und der hat sogar eine bis dahin fremde Religion mitgebracht. Die Stadt verdankt letztlich ihr charakteristisches Aussehen zu einem Gutteil italienischen Baumeistern und Architekten.

Unterschiedliche Ursachen und Formen von Migration, vor allem Binnenwanderungen und Arbeitsmigration, prägten die Salzburger Geschichte. Aber auch Emigration, Flucht, Verfolgung, Vertreibung – z. B. von 22.000 ProtestantInnen im frühen 18. Jahrhundert – zeigt, dass Migration kein Ausnahmezustand sondern ein Normalfall ist.

Seit 2013 setzt sich die Stadt Salzburg gezielt mit seiner Geschichte unter dem Blickwinkel dieser vielen Formen und Ursachen von Zu- und Abwanderung auseinander. Dabei kommt dem neuen Migrationsarchiv im Haus der Stadtgeschichte eine wichtige Funktion zu. Wie Ingrid Tröger-Gordon, Vorständin der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen, betont, versteht sich das Stadtarchiv als eine Dokumentationsstelle der Migrationsgeschichte von Salzburg, die die Grundlagen für ihre Vermittlung und weitere Erforschung darstellt. „Das Archiv als 'Gedächtnis der Stadt' trägt mit dem neuen Migrationsarchiv dem Umstand Rechnung, dass der Aspekt der Migration bislang in der Stadtgeschichte und im kollektiven Gedächtnis zu wenig verankert war“, so Ingrid Tröger-Gordon. Es gehe nicht zuletzt darum, die „Normalität“ von Migration und ein multiperspektivisches Geschichtsbild zu vermitteln.

Am Beginn standen Lehrveranstaltungen an der Universität Salzburg zum Thema Migration (Leitung Sylvia Hahn und Sabine Veits-Falk) und zwei Ausstellungen am Makartsteg. Im Rahmen des Schwerpunkts Arbeitsmigration nach 1960 Interviews mit Migrantinnen und Migranten geführt sowie Fotos und Dokumente gesammelt. Es entstand so eine Materialsammlung, deren Verbleib es zu sichern galt. Angeregt durch die Salzburger Historikerin und Migrationsexpertin Sylvia Hahn beschloss die Stadt Salzburg im Rahmen des Projekts „Wissensstadt Salzburg“ ein Migrationsarchiv zu errichten, das im Haus der Stadtgeschichte angesiedelt ist.

Seit 2015 also wird im Haus der Stadtgeschichte gezielt die Sammlung von Quellen zur Migrationsgeschichte aufgebaut, die weitgehend auf Interviews mit Migranten sowie Fotos und Dokumenten basiert. Die Interviews werden auf Tonträger aufgenommen, Fotos und Dokumente gescannt und gespeichert. Die Originale werden – je nach Wunsch – entweder retourniert oder auch für die dauerhafte Aufbewahrung übernommen.
„Die Daten werden im elektronischen Archiv der Stadt Salzburg gespeichert, und in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnologie aufbereitet“, erklärt Peter F. Kramml. „Im Haus der Stadtgeschichte stehen auch noch historische Quellen zur Migrationsgeschichte, wie etwa bis in das 15. Jahrhundert zurückreichende Bürgerbücher oder Heimatmatriken und Akten zur Ein- und Auswanderung aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung“, erklärt der Leiter des Stadtarchivs.

Roman Breitfuss, Leiter der IT im Magistrat, beschreibt die technische Umsetzung: Die Daten des Migrationsarchivs werden im elektronischen Aktensystem der Stadt Salzburg aufgenommen und beschlagwortet. Die Technologie kann nun für beliebige weitere (Spezial-)Archive ebenso wie für das sogenannte Langzeitarchiv genutzt werden. Die Internetseite des Migrationsarchivs verbindet Inhalte aus dem Redaktionssystem von www.stadt-salzburg.at über eine Schnittstelle mit den Datenbeständen des Archivs. Man kann steuern, welche Teile öffentlich freigegeben, nur im Lesesaal des Archivs einsehbar oder gar nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Webseite passt sich dem verwendeten Endgerät an und entspricht den heutigen Anforderungen an Barrierefreiheit.

Die Homepage www.stadt-salzburg.at/migrationsarchiv gibt Aufschluss über die Sammlungen und Bestände des Migrationsarchivs. Die von den InterviewpartnerInnen freigegebenen Interview-Ausschnitte und -Protokolle samt Zeitindex, Fotos und Dokumente sind direkt als Downloads abrufbar. Die vollständigen Interviews und Transkripte sowie Materialien mit eingeschränkten Nutzungsrechten können dann vor Ort im Haus der Stadtgeschichte für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden.
„Beim Aufbau des Migrationsarchivs gehen wir von einem weit gefassten Begriff von Migration aus, der auch den Aspekt von „Mobilität“ einschließt“, sagt Sabine Veits-Falk, Projektleiterin des Migrationsarchivs Stadt Salzburg. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf der Binnenwanderung innerhalb Salzburg, Österreich und Europa, auf der Arbeitsmigration nach Salzburg seit den 1960er Jahren und auf der Auswanderung aus Salzburg.
Anlässlich der Ausstellungen 2014 und 2016, die die Anwerbeabkommens mit der Türkei (1964) und mit Jugoslawien (1966) thematisierten, entstanden knapp 40 Interviews, die im Migrationsarchiv zur Verfügung stehen. Daneben beginnt das Stadtarchiv lebensgeschichtliche Interviews mit Migranten aus unterschiedlichen Herkunftsregionen und Migrationsmotiven zu führen. Dem Thema Südtiroler-Optanten in der zweiten Generation ist beispielsweise ein weiterer, neuer Schwerpunkt gewidmet. Am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg startete im Sommersemester 2016 ein Forschungsprojekt, in dem biografische Schriftstücke zur Migrationsgeschichte ab dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart gesammelt, dokumentiert und ausgewertet werden.
Die Historikerin und Migrationsexpertin Vizerektorin Sylvia Hahn: „Mit dem Migrationsarchiv, das in Österreich das erste ist, nimmt die Stadt Salzburg eine wichtige Vorreiterrolle ein. Seit je her ist die Menschheitsgeschichte eine Geschichte der Migration, der Bewegung von Zu- und Abwanderung von Menschen. Ob ökonomisch bedingt, ökologisch aufgrund des Klimawandels verursacht, gesellschaftlich-religiös erzwungen, von Diktaturen vertrieben oder geflüchtet – Migration war immer da und wird immer da sein solange es Menschen auf diesem Planeten gibt. Mit dem Migrationsarchiv wird es Stadt und Universität Salzburg gelingen, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass Migrationen ein Teil unseres Lebens sind wie Geburt, Arbeit, Liebe und Tod.“ (InfoZ)

www.stadt-salzburg.at/migrationsarchiv
Bilder: Stadtarchiv Salzburg

 

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