Von Schockstarre ist keine Rede
NACHGEFRAGT BEI SHANE WOODBORNE
23/04/20 „Wir waren grad' in Beirut und haben dort zwei sehr idyllische Konzerte gespielt. Am Montag drauf, am 10. März, war im Büro noch alles normal. Dann kamen die Absagen. Und selbst da konnten wir das wahre Ausmaß noch nicht abschätzen...“ Shane Woodborne, der Geschäftsführer und einer der Cellisten der Camerata Salzburg, erzählt.
Von Heidemarie Klabacher
Seither belaufe sich der Verdienst-Entgang für die Camerata Salzburg auf über eine halbe Million Euro, erzählt Shane Woodborne. Die Absage von Aix en Provence, des Rostropovitsch Festivals Moskau, des Beethoven Festivals Rotterdam, der Salzburger Pfingstfestspiele und der Tiroler Festspiele Erl haben ein gähnendes Loch ins Budget geschlagen. „Von den künstlerischen Erfolgen hat man plötzlich nichts mehr. Unsere Berufsgrundlage ist weggefallen. Man schreibt dafür Anträge für den Härtefall-Fonds. Das ist ein ziemlich überraschender Wechsel in der Alltagsarbeit.“
Einen Lichtblick bescherte dem Freelancer-Orchester das grandiose Echo auf seinen Spendenaufruf: „Das Salzburger Publikum, unsere Abonnenten und Freunde haben Großartiges geleistet. Das ist eine Absicherung für den Verein und auch für jene Musiker, die ein Härtefall sind.“ Das Publikum habe „wirklich substantiell dazu beigetragen, dass wir mit heutigem Zeitpunkt stabil in die nächsten Monate gehen können“, betont Shane Woodborne
Der Schock sitzt tief, doch von Schockstarre sei keine Rede: „Die Musikerinnen und Musiker sind alle sehr engagiert.“ Man halten jeden Donnerstag eine Online-Mitgliederversammlung ab. Man treffe sich also virtuell, bespreche künstlerische, wirtschaftliche aber auch Social-Media-Fragen. Ständigen Austausch pflege eine Whatsapp-Gruppe. „Trotzdem ist es seltsam. Unser Beruf ist von Haus aus sozial, wir proben, reisen, konzertierten miteinander. Es ist eine sehr stille Zeit. Jeder übt für sich, arbeitet für sich...“
Es bieten sich aber auch neue Wege: Er habe die Musikerinnen und Musiker eingeladen, Programm-Überlegungen anzustellen, sagt der Geschäftsführer. Auch zu recherchieren, welche Werke die Camerata bislang noch nie gespielt hat und „mit welchen Künstlern wir noch nicht zusammengearbeitet haben“. Die Einbindung aller Musikerinnen und Musiker in die Gestaltung der übernächsten Saison sei „schon verstärkt in dieser Situation“, betont Woodborne, der das Programm sonst gemeinsam mit dem Orchester-Komitee gestaltet.
Die Musikerinnen und Musiker hätten übrigens auch begonnen, in direkten Kontakt mit dem Publikum zu treten und „einfach anzurufen“ - zur Überraschung so manchen Musikfreundes. Aber auch das Orchester wird angerufen: „Jüngst hat jemand angefragt, ob nicht einer von uns Bach solo spielen könnte - allein auf einem Balkon zu einem Geburtstag...“ Natürlich konnte jemand.
„Die Camerata-Finanzierung ist auch zu gewöhnlichen Zeiten ein Seiltanz. Und jetzt...“ Subventioniert wird die Camerata von Stadt und Land Salzburg mit 105.000 und. 80.000 Euro sowie vom Bund mit 20.000 Euro. Durch den Ausfall von über zwanzig wichtigen Engagements allein bisher falle „deutlich über eine halbe Million Euro weg“. Noch sei Lage stabil. Wenn aber ab September nicht wieder gespielt werden könne, werde die Bedrohung existentiell.
Nicht beantwortet ist dann immer noch die Frage, „wie das in Zukunft etwa mit dem Reisen aussehen wird“. Bis zu achtzig Konzerte gibt die Camerata Salzburg jährlich, vierzig davon im Ausland. „Selbst wenn es ungewöhnliche Lösungen geben sollte“, sagt Shane Woodborne im Hinblick etwa auf die Salzburger Festspiele: „Die Camerata ist bereit zu spielen.“