Raben- und sonstige Mütter
INTERVIEW / WINTERFEST / STILL HUNGRY
16/12/19 Rabenmutter geheißen wird, wer seinem Kind das Recht auf Eigen-Persönlichkeit zugesteht und diesem nicht die Luft zum Selber-Atmen neidet. Ein Diskurs für den Zirkus? Das Berliner Kollektiv still hungry untersucht im Stück Raven jedenfalls das Thema Mutterschaft aufgrund eigener Erfahrungen. Mütter machen meist alles falsch. Und zu wenig Frauen in Leitungs-Positionen gibt es, wie überall, auch in der Zirkuswelt, erzählen still hungry vor der Premiere morgen Dienstag (17.12.) im Winterfest-Interview.
Winterfest: Wie kommt ihr zum Titel des Stückes?
still hungry: Raven erforscht die Bedeutng des Begriffs Rabenmutter, eine Bezeichnung die seit Jahrhunderten für schlechte Mutterschaft steht. still hungry verwendet diesen Begriff bewusst zur Neuinterpretation, macht Missfallen sichtbar und offenbart die unangenehmen Schattenseiten der eigenen Mutterschaft. Damit wollen wir Menschen ermutigen, mit Konventionen zu brechen und über Widersprüche zusprechen.
Winterfest: Denkt ihr, dass zeitgenössischer Circus mehr Feminismus vertragen kann?
still hungry: Es gibt immer noch viel zu wenige Stücke im zeitgenössischen Circus, die von Frauen kreiert und von Frauen aufgeführt werden. Auch in der Führungsebene der Theater sind Frauen leider eher eine Seltenheit. Wir treten ein für ein zu veränderndes Bild der Frau: ihrem Körper, ihrem Alter und Frauen mit Familien in künstlerischen Berufen. Nicht nur der zeitgenössische Circus braucht mehr starke und mutige Frauen, die sich mit vielfältigen Themen und ihren Karrieren oder Nicht-Karrieren auseinandersetzen.
Winterfest: Ihr sagt, dass Raven ein bewegendes, ehrliches, aber auch amüsantes Stück über das moderne Muttersein ist. Wie sieht oder sah Mutterschaft für euch aus?
still hungry: Da gibt es selbstverständlich verschiedenste Modelle für die moderne Mutter. Wie man es auch macht, die gesellschaftlichen Erwartungen an die moderne Mutterschaft sind übertrieben hoch. Familie und Beruf über längere Zeit in perfekter Balance miteinander zu vereinbaren, ist quasi unmöglich.
Winterfest: In welcher Beziehung steht ihr Drei zueinander? Wie hat sich euer Kollektiv gegründet?
still hungry: Wir sind alle drei Künstlerkolleginnen und Freundinnen. Anke und Romy kennen sich seit ihrer Ausbildung an der Etage-Schule für darstellende Künste in Berlin. Lena hat ihre Ausbildung in Kanada gemacht, wir sind uns erst etwas später in der Circusszene in Berlin begegnet und haben 2011 das erste Mal zur Eigenproduktion Unruhe bewahren zusammengefunden. Seit langem war es unser Wunsch, ein neues Stück zu kreieren und dafür eine Förderung zu lukrieren. Dieser hat sich mit unserem aktuellen Stück Raven glücklicherweise erfüllt.