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Beinharte Auslese mit Humor

FESTSPIELE / SOMMERAKADEMIE DER UNIVERSITÄT MOZARTEUM

27/08/13 Wie sieht eine Musiker-Bilderbuchkarriere heutzutage aus? Ist das „Quereinsteigen“ eine denkbare Option oder wird es nur etwas, wenn man sich schon im zarten Kindesalter auf – möglichst internationalen – Podien abgekämpft hat?

Von Reinhard Kriechbaum

241Aufschlussreich  ist es, die Biographien jener zehn Glücklichen durchzublättern, auf die heuer das Los gefallen ist, die sich also im Abschlusskonzert der Internationalen Sommerakademie (am Freitag, 23.8., im Mozarteum) haben vorstellen dürfen. Der Spanier Abel Sánchez-Aguilera ist Doktor der Biochemie und Molekularbiologie, beschäftigt sich in Madrid als Forscher mit Leukämie und Blutzellenbildung – aber wenn er am Klavier sitzt, kann er, beispielsweise mit Skrjabins Zehnter Klaviersonate, locker mithalten in der pianistischen Profi-Liga. Dieser raffinierte Umgang mit dem Klang, solche Stilkundigkeit, wenn es darum geht, sich eben nicht zu verlieren in impressionistischen Klängen, sondern das strukturelle Denken herauszustreichen. Und dazu stupende Virtuosität.

242So einer landet dann also am Ende einer Sommerakademie am selben Abend auf dem Podium wie Elli Choi, eine gerade zwölfjährige Amerikanerin. Tschaikowskys Valse-Scherzo op. 34 spielt sie – ja, wie eine Große. Mozarteums-Rektor Reinhart von Gutzeit sagte sehr zurückhaltend in einem Pressegespräch zu diesem Ausnahmetalent: Man wisse natürlich nicht, was draus wird, aber „man kann den Augenblick genießen“. Eine Art Zwischenstation auf einem zielstrebig in Angriff genommenen Weg. Ob er Krümmungen bereit hält, kann man nicht sagen. Ob die Chinesin Wendi Wang es noch weiter bringen wird? So muss man als Fünfzehnjährige Pablo de Sarasates Carmen-Fantasie jedenfalls erst drauf haben, von der Energie und der Fingerfertigkeit her. Und doch war die Spannkraft in den paar lyrischen Episoden begrenzt – ein gewisses Misstrauen ist angesagt.

243Generell aber gilt: Stupendes Handwerk reicht schon lange nicht, um es bis ins Schlusskonzert zu bringen. Die japanische Geigerin Midori Maruyama hat mit der Bratsche zu Pendereckis „Cadenza“ ebenso viel zu sagen wie ihre Landsmännin, die Pianistin Nozomi Nakagiri, zur Klangwelt der Iberia-Suite von Albéniz oder der französische Pianist Giulio Biddau zu dem Choralvariationen aus der Klaviersonate von Dutilleux. Diese Mischung aus Messiaen und Neoklassizismus muss einer erst so Kopf-kontrolliert hinbekommen.

Manche, die es jetzt unter die besten zehn gebracht haben, sind schon in früheren Sommerakademien aufgefallen und haben Preise in internen Wettbewerben eingeheimst. Ein paar Wettbewerbserfolge anderswo gehören sowieso zum biographischen Mindeststandard. Aber weil von ausgefallenen Karrieren die Rede war: Der polnische Tenor Andrzej Lampert war anderthalb Jahrzehnte auf der Jazz- und Pop-Schiene unterwegs, jetzt ist er ein Lenski (Eugen Onegin) und Alfredo (La Traviata). Stimmlich gibt er alles, hat es den Anschein – ob das nicht zu viel ist im Ernstfall eines ganzen Opernabends?

Zwei aus den Gesangsklassen, der niederländische Bassbariton Rick Zwart und die französische Sopranistin Margo Arsane, waren auch in den „Humor“-Wettbewerben dieser Sommerakademie erfolgreich und hatten im Konzert nun natürlich gute Karten, was die Publikumssympathien anlangte.

Beinharte Auslese, keineswegs eine „geschützte Werkstätte“ – so spiegelte das Sommerakademie-Abschlusskonzert wieder das echte Leben. Und da braucht’s für den einzelnen wahrscheinlich auch viel Humor, um es zu ertragen. Aber so war der Schwerpunkt heuer natürlich nicht gemeint.

Bilder: Internationale Sommerakademie

 

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