Apres-Ski mit "Halling"
MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE
06/05/13 Zu gerne sähe man ihn im Bodybuilder-Outfit und nicht im Konzertanzug am Flügel sitzen. Ob man seinem Körper das Spiel der Muskeln anmerkte, wenn Tzimon Barto alle Energie in die Tasten lenkt?
Von Reinhard Kriechbaum
Tzimon Barto war in der letzten Sonntagsmatinee des Mozarteumsorchesters dieser Saison Solist in Edvard Griegs Konzert a-Moll op. 16. Eigentlich einer der pianistischen Knüller in der Literatur des 19. Jahrhunderts – aber wenn man es streng nimmt, gar nicht so oft zu hören. Auch fürs Orchester übrigens eine Herausforderung, wenn ein Solist in den Tempi so gediegen umgeht mit dieser Musik, die irgendwie als Brahms-gewandeter Schumann daherkommt, also entsprechend „hochromantisch“ gelesen sein will. Das heißt konkret: Auch wenn die Emotion sich urgewaltig Bahn bricht, wollen die vielen kleinen sentimentalen, hintersinnigen, nicht nur im Mittelsatz tendenziell melancholischen Seitengedanken übermittelt sein.
Und so ist Tzimon Barto also mit gebotener Muskelkraft vom ersten Paukenwirbel weg eingestiegen ins turbulente Treiben, und hat doch schon in dieser fulminanten Eröffnung gleichsam unter der Hand das Blatt gewendet, mit sicherem Instinkt die melodiösen Fäden herausgezogen. Da lag spürbar alle Aufmerksamkeit der Orchestermusiker in der Begleitung, die nichts an Flexibilität hat wünschen lassen. Es hat viel Freude bereitet, wie da ein pianistischer Muskelprotz auch der feinsinnigsten Lyrik entsprach.
Aber da ist natürlich auch die andere Seite. Wenn es gilt, rhythmische Angel- und Zielpunkte zu setzen, dann reichen Tzimon Barto nicht die Hände, da darf es schon auch temperamentvolle Perkussion mit den Füßen sein. Und so musste man über manche Pointe im folkloristischen Hauptthema des dritten Satzes schmunzeln. Wäre Apres-Ski im Norwegen im Winter 1969 schon erfunden gewesen – so hätte es sich angehört. Edvard Grieg hat einen Springtanz, den „Halling“, verarbeitet und Tzimon Barto hat ihn gleichsam mit schwerem Schuhwerk umgesetzt. Aber auch da: zwischendurch feinste Lyrismen. Und als Zugabe etwas besonders Feinsinniges: „Mignon“ aus Schumanns „Album für die Jugend“, von einigen im Publikum aber aufs Rücksichtsloseste niedergehustet.
In der von der Werkwahl her wieder so recht populären und wieder bestens besuchten Sonntagsmatinee (am 5. Mai im Großen Festspielhaus) stand am Beginn die „Akademische Festouvertüre“ von Brahms und am Schluss die Erste Symphonie. Damals, 1880, ist man als angesehener Künstler noch nicht Professor geworden, sondern Doktor honoris causa. Brahms ward eine solche Ehre im schlesischen Breslau zuteil, und er bedankte sich mit der „Akademischen Festouvertüre“, diesem eigenartigen Ding zwischen banalsten Burschenschafts-Gassenhauern und Harmonie-Wildwuchs. Zwischen beidem kann man vielleicht sauberer, durchhörbarer trennen. Aber viel mitreißender und tonschöner, wie Ivor Bolton und das Mozarteumorchester das umgesetzt haben, geht es nicht.
An berückenden Bläsersoli, am Holzbläsertimbre überhaupt, hat es dann der „Ersten“ auch nicht gefehlt, und man könnte Dutzende wirklich schön gelungene Episoden aufzählen. Und doch als Ganzes eine eher langwierige Angelegenheit. Sagen wir es geradeheraus: verhatscht. Die größeren symphonischen Entwicklungen waren zur vorgerückten Mittagsstunde nicht recht auszumachen. Wenn draußen die Mai-Sonne so hell scheint, kann Brahms im Großen Festspielhaus recht muffig wirken.