Amadeo wird zu Amadé
HINTERGRUND / UNBEKANNTE MOZART-WERKE
19/09/24 „Nur weil andere nicht wissen, dass es das Stück gibt, heißt es nicht, dass wir es auch nicht wissen.“ Erst jüngst geisterte ein „neu entdecktes“ Mozartwerk durch die Medien. Den Experten bei der Stiftung erzählt man nichts Neues. Im neuen Köchel-Verzeichnis ist es natürlich aufgelistet.
Während der zwölfjährigen Arbeiten an der Neuausgabe des Köchel-Verzeichnisses wurden auch neue Mozart-Werke entdeckt. Einige davon hatte in früheren Ausgaben des Köchel-Verzeichnisses bereits „Platzhalter“. Etwa das sogenannte „Freudenlied“ Per la ricuperata salute di Ofelia KV 477a, die Arie Die neugeborne Ros entzückt KV 365a oder das 2021 als 94 Sekunden neuer Mozart vorgestellte Klavierstück KV 626b/16.
Viele Fragmente sind darunter. Mozart habe so schnell komponiert, dass seine Ideen einander oft quasi überholt hätten, so sinngemäß Ulrich Leisinger. So seien Entwürfe und Gedanken vom Komponisten selber unbeachtet liegen geblieben. Aber es wurden in diesen Jahren auch bislang unbekannte vollständige, wenn auch kurze, Werke entdeckt. „Seit dem Mozart-Jahr 2006 wurden mehrere Klavierstücke des jungen Mozarts erstmals aufgefunden oder als Werke des jungen Komponisten identifiziert“, so Ulrich Leisinger. „Darunter der erste Konzertsatz Mozarts, der ohne Autorenbezeichnung im sogenannten Nannerl-Notenbuch, dem Klavierbuch seiner Schwester Maria Anna steht.“ Dieser Satz ist nun als KV 636 verzeichnet. Dieser Konzertsatz erklang bei der Präsentation heute Donnerstag (19.9.) im Großen Saal des Mozarteums. Ebenso ein wunderschönes „kleines“ Werk des jungen Mozarts, von dem die Welt noch nicht lange weiß.
Eine Serenate ex C aus der Musikbibliothek der Leipziger Städtischen Bibliotheken konnte als ein Jugendwerk von Mozart verifiziert werden. Das bislang völlig unbeachtet gebliebene Werk, jetzt mit der Nummer KV 648, besteht aus sieben Miniatursätzen für Streichtrio, die zusammen etwa zwölf Minuten dauern. Mozart dürfte die kleine Komposition noch vor seinem 13. Geburtstag für seine Schwester geschrieben haben.
Die einzige erhaltene Quelle schreibt die Komposition „Wo[l]fgang Mozart“ zu. Dies weise, so Leisinger, bereits auf eine Jugendarbeit hin. Denn seit der ersten Italienreise von 1769 habe Mozart seinen Vornamen Wolfgang regelmäßig um „Amadeo“, ab 1777 um „Amadé“ ergänzt. Auch der Kompositionsstil weist auf die 1760er-Jahre hin. Für Ulrich Leisinger, den Wissenschaftlichen Leiter der Internationalen Stiftung Mozarteum und Redakteur der Neuausgabe des Köchel-Verzeichnisses, ist das Trio ein bedeutender Mosaikstein: „Der junge Mozart ist uns
bislang hauptsächlich als Komponist von Klaviermusik, von Arien und von Sinfonien bekannt. Aus einer Aufstellung von Leopold Mozart wissen wir aber von vielen weiteren kammermusikalischen
Kompositionen aus der Jugendzeit, die leider allesamt verloren gegangen sind. Es sieht so aus, als ob sich in Leipzig durch eine Verkettung günstiger Umstände ein vollständiges Streichtrio erhalten hat. Da die Vorlage dazu offenbar von Mozarts Schwester stammt, ist es reizvoll, sich vorzustellen, dass sie das Werk als Erinnerung an ihren Bruder aufbewahrt hat. Vielleicht hatte er das Trio eigens für sie zu einem Namenstag komponiert.“ (ISM / dpk-klaba)
Bild: Still von der Übertragung der Präsentation