Vergnügen mit Rokoko und Sturm und Drang
MOZARTEUMORCHESTER / JONATHAN BLOXHAM
07/06/24 Das Mozarteumorchester ein letztes Mal im knalligen Ausweichquartier in der Großen Aula, weil ja die Restaurierung des Großen Saal des Mozarteums gerade in der Endrunde ist. Ein abwechslungsreiches Programm nach klassischem Gusto, im Zentrum Tschaikowskys Rokoko-Variationen mit Julia Hagen.
Von Paul Kornbeck
Am Anfang erklang die erste der um 1776 entstandenen Orchestersinfonien von Carl Philipp Emanuel Bach mit sitzenden Streichern und, wohl aus akustischen Gründen, stehenden Bläser, die gewichtig und tonschön mitzureden haben in diesem eigenartig genialen Werk. Der dem „Sturm und Drang“ verpflichtete zweitälteste Bach-Sohn zeigt hier ja in einer guten Viertelstunde seine ganze rhetorisch-melodische Kunst, welche die Zeitgenossen verblüffte und sogar heute noch in ihrer konzisen Kürze modern anmutet. Drei ineinander übergehende Sätze sind das, voll harmonischer Überraschungen. Klopstock berichtete begeistert über die Hamburger Uraufführung mit immerhin vierzig Musikern. Den Generalbass gibt es da nur mehr als oft kaum hörbare Stütze – hat der Komponist, wohl für sich selbst, deshalb ein kleines, feines Cembalosolo in das Finale eingebaut? Der virile Dirigent Jonathan Bloxham hat mit dem brillanten Orchester all die Sprünge und Kontraste in diesem komprimierten Kosmos einer klassischen Symphonie aufs Beste herausgearbeitet.
Danach holte die Cellistsin Julia Hagen, ihre familiäre Tradition in allerbester Weise fortführend, souverän alle schillernden Farben aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskys liebevoller Verbeugung vor dem Rokoko. Diese Variationen über ein eigenes Thema sind ja ein aquarellhaft ausgemaltes Bilderbuch an Emotionen, versehen mit überaus virtuosen Abschnitten, welche die Solistin mit größter Selbstverständlichkeit und anspringendem Spielwitz interpretierte. Wieder einmal hörte man die die an sich brillante, aber das Original ein wenig in Richtung Effektmusik rückende Version des Uraufführungs-Virtuosen Wilhelm Fitzenhagen. So oder so ist das Stück wohl die insgesamt fröhlichste Musik Tschaikowskys. Der Dirigent sorgte für gute Partnerschaft und solide Begleitung – und bewies an der Seite von Julia Hagen in der Zugabe, einem verspielten, aus dem Barock schon ins Rokoko weisenden Duo von Jean-Baptiste Barrière, dass auch er ein hervorragender Cellist ist.
Nach der Pause folgte, klug korrespondierend sowohl zur Familie Bach als auch zum Mozart als musikalischen Gott verehrenden russischen Meister, Wolfgang Amadés immer wieder unglaublich experimentell wirkendes Streicherstück Adagio und Fuge, diesmal freilich eher in spätbarocker Würde verharrend als mit jenem frühromantischen Furor versehen, der nicht nur zwischen den Noten steht. Dass da Ludwig van Beethoven sozusagen schon an die Tür pocht, merkte man trotzdem und so folgte ganz logisch dessen jugendfrische, neue Klangräume ausmessende Erste Symphonie, von Maestro Bloxham und dem in Hochform befindlichen Orchester keck und knackig musiziert.