Die Nacht und ihre Zaubertricks
KULTURVEREINIGUNG / SINFONIEORCHESTER BASEL / BOLTON
23/05/24 Britten und Bruckner. Dazu Basel und Bolton: Der Einstand des Sinfonieorchesters Basel am Mittwoch (22.5.) im Großen Festspielhaus war ein durchschlagender, heftig bejubelter Erfolg. Tenorsolist Allan Clayton und Hornsolist Zoltán Mácsai betörten mit samtweichem Sound.
Von Horst Reischenböck
Britische Musik gehört (leider) nicht zum Standardangebot in unseren Breitengraden. Obwohl ihr gerade Edward Benjamin Lord Britten of Aldeburgh bereits im Rahmen der Salzburger Festspiele 1937 durch den Triumph seiner Variationen op. 10 die Tore weit aufstieß. Britten ging danach mit seinem Lebensmenschen, dem phänomenalen Tenor Peter Pears, in die USA. Heimehr trieb sie wieder zurück. Zuhause schuf Britten, mit sechs Nocturnes „ein neues Werk für Peter und einen reizenden jungen Hornisten, Dennis Brain“.
Der Hornist hatte sich zwar ein Konzert gewünscht, stand Britten bei der Gestaltung des diffizilen Hornsolos zur Seite: Die Serenade für Tenor, Horn & Streichorchester, op. 31 ist ein Unikat. Es dauerte es lange, bis diese Elegie, die mit klassisch abendlicher Unterhaltung nichts mehr gemein hat, endlich in Salzburg zu hören war. Zu verdanken ist die Begegnung wohl dem Briten Ivor Bolton, Ehrendirigent des Mozarteumorchesters und nunmehr Chef in Basel, dem Britten spürbar ein Herzensanliegen bedeutet.
Widmungsträger und Freund Edward Sackville-West, der Britten bei der Auswahl der Lyrik beriet, beschrieb ihren Inhalt: „Das Thema ist die Nacht und ihre Zaubertricks, der länger werdende Schatten, das ferne Horn bei Sonnenuntergang, die schweren Engel des Schlafs, auch der Mantel des Bösen.“
Der umrahmende Prologue wie der fern dann hinter dem Podium tönende Epilogue verlangen vom Solisten Naturtöne auf einem Inventionshorn. Zoltán Mácsai, einst aus den Reihen des Mozarteumorchesters nach Dresden gewechselt, blies sie mit perfektem Ansatz butterweich. In extremer Lage delikat und weich antwortete der Tenorsolist Allan Clayton etwa im heiklen Pianissimo-Einstieg ins Pastoral: Eine Stimmung, die später tiefer in seelische Abgründe eines Totengesangs vorstößt und in der die begleitende Fuge eindrucksvoll auch Brittens kontrapunktisches Vermögen beweist.
Das für die Romantik so überaus typische Horn bot nach der Pause den idealen Anknüpfungspunkt an Anton Bruckners Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107. Der Klang der ersten Töne des weit schwingenden Hauptthemas im Kopfsatz werden ja auch vom Ersten Horn mit bestimmt, ehe es das Feld den Celli überlässt.
Ivor Bolton, der in Salzburg einen Zyklus der offiziell nummerierten Sinfonien des Jahrespatrons erarbeite und dokumentierte (ein Nachschlag mit der sogenannten „Annulierten“ sollte bald erscheinen), benutzte wieder die von Leopold Nowak vorgelegte Edition.Sie basiert auf dem Autograf in der Wien Nationalbibliothek und enthält Bruckners eigenhändige Änderungen nach der Uraufführung sowie, angeregt vom damaligen Dirigenten Arthur Nikisch, den zusätzlichen Beckenschlag samt Triangel vor dem berührenden Abgesang auf Richard Wagners Tod im Adagio.
Das Sinfonieorchester Basel erinnerte damit auch an die vom Komponisten Volkmare Andreae begründete große Bruckner-Tradition unserer Nachbarn. Bolton, mit dem Raum ohnedies hinlänglich vertraut, bündelte die formidabel intonierenden Holzbläser, die exzellente Riege der Hörner, Wagner-Tuben, Trompeten und Posaunen zu einem überwältigenden, in dynamischen Details wie in großen Steigerungswellen, eindrucksvollen Klangfresko. Getragen vom groß besetzen und satt tönenden Streichercorps, aus dem übrigens auch das eine oder andere Gesicht aus dem Mozarteumorchester hervorlugte. Mit diesem Konzert bot die Salzburger Kulturvereinigung einen nicht würdiger zu denkenden Einsteg ins Brucknerjahr. Langanhaltend und begeistert bedankt.