Jetzt merkt man die Defizite
HINTERGRUND / PHILHARMONIE SALZBURG
15/03/24 A Symphonic Tribute to the Beatles. Mambo in concert. 1001 Nights in the Harem. Swinging Christmas & Weihnachtlicher Barock. Romantik zum Träumen oder Best of Hollywood. Die reißerischen Konzerttitel sind nicht nur reines Marketing. Pädagogische Erwägungen stehen durchaus im Hintergrund der Programmplanung von Elisabeth Fuchs.
Von Heidemarie Klabacher
„Wir erleben einen großen Boom bei allem, was leicht ist“, sagt Elisabeth Fuchs im Gespräch mit DrehPunktKultur. „Brahms. Das klingt als reines Abendkonzert irgendwie anstrengend. Aber es passt, wenn ihn das Publikum in der Reihe Mitten im Orchester hautnah erlebt.“ Da gehen dann auch Dvořáks Cellokonzert und die Erste besagten Brahms'.
Herbert Pixner mit Chor und Orchester im Tête-à-Tête mit alpenländischer Improvisationskunst oder A Symphonic Tribute to the Beatles und to Queen: „Das wird laufen, weil die Menschen damit Urlaub vom Alltag verbinden.“ Dies sei besonders in der letzten Zeit mit Krieg(en), Teuerung und Krisen wichtig geworden. „Die Menschen merken, wenn sie sich mit Musik beschäftigen, kommen sie da ein wenig weg. Sie wissen, wenn man sich ein Abo kauft, tut man sich was Gutes.“
Der Zyklus im Großen Festspielhaus, die Samstag-Sonntag-Abos in der Großen Aula, die Reihe Mitten im Orchester und die Familienkonzerte sind quasi Selbstläufer. Mit „Barockkonzert“ könnten viele Menschen nichts mehr anfangen. „Aber kombiniert mit Jazz und Swing sagen sie nacher, Der Händel war auch nett.“ Für die anderen spielt man im Dezember den Messias von Georg Friedrich Händel. Ohne Jazz.
„Wir sind gut im Markteting. Aber wenn es anspruchvoller ist, läuft es nicht so gut.“ Das zielt auf die Philharmonischen Konzerte mittwochs im Großen Saal des Mozarteums. „Wir können für ein klassisches Abendkonzert nicht zweimal so viel verlangen. Da müssen wir querfinanzieren.“
Der Dirigentin und Musikvermittlerin Elisabeth Fuchs geht es mit den vielfältigen und kunterbunten Cross over-Programmen – und das vermittelt sie glaubwürdig – keineswegs ausschließlich ums Marketing. „Ich mache zielorientiertes Programm. Mittwoch volle Klassik und Romantik. Die gibt es auch bei Mitten im Orchester aber in einem anderen Setting. Im Samstag-Sonntag-Abo wollen sich die Menschen unterhalten lassen. Ich führe sie aber weiter.“ Der Anspruch ist hoch. Fuchs will „Bildung nachholen“.
Im Zuge der tiefgreifenden Veränderungen im Familienleben habe sich die wichtigste Zelle gesellschaftlichen Kulturlebens verändert. In der Familie sei „früher“ auch die Basis für kulturelle Bildung gelegt worden. „Wir haben Generationen im Publikum, mit denen nicht mehr gesungen wurde.“ Dazu hat sich das Bildungssysthem massiv verändert: „Die jungen Leute müssen sich entscheiden zwischen Zeichnen und Musik.“ Berufsbildende Schulen, grundsätzlich natürlich was Gutes, haben zugenommen. „Aber in denen gibt es keine Musik.“ Ab 14 gehe es für die meisten Jugendlichen vor allem „in Richtigung Job, IT, Geldverdienen und Wirtschaft“, sagt Elisabeth Fuchs. „Und nun lernen sie und wir alle auch noch: Alles was wir da lernen, kann die KI besser.“ Die massiven Veränderungen und Einsparungen bei den kulturellen Fächern (von Deutsch/Literatur ganz zu schweigen, Anm.) in den letzten Jahrzehnten schlagen heute zu Buche: „Jetzt merkt man, dass wir Defizite haben an dem, was in der Schule nicht mehr gelernt werden kann.“ Sie habe sich entschieden, so die ausgebildete Musik- und Mathematiklehrerin, „zu versuchen als Veranstalterin das ein wenig auszugleichen, was die Schule nicht mehr macht“.
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Bilder: Philharmonie Salzburg / Erika Mayer