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Die Klänge der Hölle auf Erden

HOFHAYMER GESELLSCHAFT / URAUFFÜHRUNGEN

27/11/23 Herbert Grassl, der große österreichische Komponist aus Südtirol, feiert wie berichtet heute Montag (27.10.) seinen 75. Geburtstag. Am Vorabend gab es ein Konzert im Bösendorfer-Saal der Universität Mozarteum, an welcher er lange tätig gewesen ist. Warum gibt es keine „Grassl-Tage“ in Salzburg, warum wagt sich niemand an eine seiner Opern, an eines seiner Orchesterwerke?

Von Gottfried Franz Kasparek

In Kooperation mit dem ensemble chromoson, dem Südtiroler Künstlerbund und der ÖGZM war es möglich, das Programm vorher auch in Meran und Wien zu präsentieren. Gleich vorweg: Philipp Lamprecht, der universelle Schlagzeuger und Nachfolger Grassls bei der Hofhaymer-Gesellschaft, war die interpretierende Seele des Konzerts und hat mit Carolin Raiser (Flöten), Massimiliano Girardi (Saxophone) und Konrad Fichtner (Kontrabass) ebenso brillante Leute um sich versammelt. Das Vokalensemble (Kaoko Amano und Christie Finn, Sopran sowie Verena Usemann, Mezzo) beherrscht – und dies mit schönen Stimmen! – nicht bloß die Kunst zeitgenössischen Singens, sondern auch mehrsprachiges Flüstern, Rezitieren, Schreien und weiß auch mit Tontöpfen und Megaphonen umzugehen.

Es gab ja drei Uraufführungen von drei Komponisten, doch im Zentrum stand Herbert Grassls op. 171, INFERNO. „Ein bisschen Hölle wäre nicht schlecht“ schreibt der Komponist im Programmheft. „Aber warum landen extrem grausame Bösewichte, die den Namen eines großen deutschen Komponisten missbrauchen, aber von einem anderen Kriegsverbrecher vom Himmel geholt werden, nur unsanft auf der Erde. Warum nicht gleich einen Stock tiefer?“ Es ist hoch an der Zeit, dass die Kunst Stellung nimmt zu den grässlichen Kriegen auf dieser Welt. Herbert Grassl tut es, ohne das Publikum der latenten Gefahr von Gehörstürzen auszusetzen. Er vertont zwei düstere Gedichte von Charles Baudelaire in italienischer Übersetzung und sechs Verse aus dem 11. Gesang der zeitlos gültigen Divina Commedia Dantes, in denen Vergil die Höllenstrafe für skrupellose Bösewichte (und wohl auch Bösewichtinnen) fordert. Und er findet dazu seine unverwechselbare, kantige und dennoch poetische Klangsprache. Er schafft scharfe Kontraste zwischen instrumentalen Extremen wie Piccoloflöte und Bass und verwendet Module, die oft wie eigentümlich archaische Melodien wirken und sich mit vielfältig sensibler Rhythmik zu schlüssiger Harmonik verbinden. Er lässt die Sängerinnen singen, und sei es im Extrem, doch stets mit gebändigter, aber unüberhörbarer Emotion. Dies alles berührt, trifft nicht nur den Verstand, sondern auch die Seele und fordert zum Wiederhören auf.

Dazwischen und danach waren Stücke jüngerer Kollegen zu hören. Der Welser Reinhard Fuchs verknüpfte in blue sky, in the darkness das Konzertmotto L'Enfer mit Assoziationen an Dante, Sartres Geschlossene Gesellschaft und den Kultfilm Blue Velvet von David Lynch und meint dazu: „Die subtilen Klänge der kreisenden Tontöpfe zu Beginn leiten eine vielschichtige Reise in die Abgründe der menschlichen Psyche ein.“ Die dabei entstandenen Klangereignisse machen einigen Effekt. Der Südtiroler Alexander Kaiser verwendete im Stück bachmasked eine „Aufnahmetechnik, bei welcher eine Nachricht rückwärts auf eine Spur (Tonband) aufgenommen wird, welche vorwärts abgespielt werden soll“. Die Frage ist, ob das Ergebnis immer so grässlich lärmend klingen muss. Freilich, auf diese Weise kommt es zu wahrlich infernalischen Klängen. Eine „Musikhölle“ kann man sich dabei sehr gut vorstellen, Satanic Panic war übrigens anfangs der 1980er Jahre eine wild umstrittene Mode in der US-Rockmusik.

Am Ende gab es Ovationen und „Happy Birthday“ für Herbert Grassl. Ad multos annos!

Bild: dpk-krie
Zum Porträt Herbert Grassl
Im Nachhinein klingt alles wie ein Abenteuer

 

 

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