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Unterwelt und Pest

FESTTAGE ALTER UND NEUER MUSIK (1)

09/10/23 Allerlei Schlagwerk ist aufgebaut, Xylo- und Metallophone – da täte man zeitgenössische Musik erwarten, wären da nicht auch Gambe, Zink, Blockflöte, Cembalo und Orgelpositiv. Also doch Alte Musik? Beides. – Eindrücke von den Salzburger Festtagen alter und neuer Musik der Paul Hofhaymer Gesellschaft Salzburg.

Von Reinhard Kriechbaum

Das beschriebene Setting gehörte zum Abschlusskonzert am Sonntag (8.10.) im Toihaus. Also – alte oder zeitgenössische Musik? Einfache Antwort: ein Hybrid. Die Noten hat Claudio Monteverdi komponiert. Für Orfeo, die erste Oper überhaupt aus dem Jahr 1607, ist im Allgemeinen eine Überarbeitung nötig, im Regelfall eine instrumentaler Anreicherung. In den Noten steht ja mehr oder weniger nur das Notengerüst. Für das Projekt Il Passaggio hat man den umgekehrten Weg gewählt und – ziemlich radikal – reduziert. Sogar die Sängerparts haben dran glauben müssen.

Dafür hat sich Festivalleiter Philipp Lamprecht mit seiner zweiten Musiker-Seite voll eingebracht. Er ist ja nicht nur Sänger mit Spezial-Ambitionen für den Mönch von Salzburg (dafür gab's am Vorabend in St. Erhard eindrucksvolle Hörproben), sondern auch ein leidenschaftlicher Percussionist. Monteverdi auf dem Xylophon geklappert oder am Glockenspiel? Die Instant-Fassung des Orfeo hat nicht wenig Ohrenreiz gehabt. Nennen wir's g'schmackig.

Claudio Monteverdi hat mit dem Orfeo nicht nur die Gattung Oper erfunden, sondern eine völlig neue Art musikalischer Textausdeutung. Die „Gestik“ von Textinhalten wurde fortan auch ausschlaggebend den instrumentalen Ausdruck. Das legt durchaus das Experiment nahe, Gesungenes auf Instrumenten wiederzugeben. Lambert Colson ist ein fulminanter Spieler des Zinks. Er vor allem hat jene „sprechende“ Rolle übernommen, die Monteverdi den Vokalisten zugedacht hat. Das war jedenfalls den Versuch wert, wenn man nach der knappen Stunde auch nicht ganz den Gedanken hat wegstecken können, dass es schon gute Gründe gibt, in einer Oper auch Sängerinnen und Sänger zu beschäftigen...

Der Inhalt wurde in kurzen Zusammenfassungen projiziert, und dazu gab's auf der Flimmerwand griechische Bildmotive aus dem Orpheus-Mythos in einer Art, wie einst die Bilder auf dem Commodore laufen lernten. Sehr archaisch – und auch das eine reizvolle Zeitreise.

Begonnen hatte das Festival der Hofhaymer-Gesellschaft am Freitagabend (6.10.) ebenfalls im Toihaus mit der Musiktheater-Produktion Il Decamerone. Vita & Morte. Boccaccio beschreibt im Decamerone eine Pest-Epidemie 1383 in Florenz. Junge Menschen fliehen aufs Land, vertreiben sich die Zeit mit dem Erzählen von Geschichten. 1001 Nacht quasi in zehn Tagen... Daraus haben Philipp Lamprecht – hier vor allem als Sänger – und die Schauspieler Isa Weiß und André Hinderlich ein Spiel über die Begegnung von Leben und Tod geformt. Viel Pantomime, ein wirbelig-charmantes Leben (Isa Weiß), dem gegenüber der Tod glücklicherweise öfters mal den Kürzeren zieht. Dazu ein buntscheckiges Sammelsurium italienischer Trecento-Musik, fein umgesetzt auf der ganzen Palette von Instrumenten der Zeit. Bemerkenswert, wie musikalisch kompetent sich die beiden Darsteller in die Musikergruppe einbachten. (Wird fortgesetzt)

Bilder: dpk-krie

 

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