Mehr Vielfalt im Frühling?
CAMERATA SALZBURG / MILDENBERGER / HAGEN
20/03/23 Robert Schumanns allseits beliebte Frühlingssymphonie erklingt in diesem Salzburger Frühling gleich viermal. Bei aller Bewunderung für das Stück darf man doch fragen, ob es nicht möglich wäre, im Frühling 2024 einmal die ebenfalls sehr schöne Frühlingsklänge-Symphonie von Joachim Raff zu spielen. Vielleicht darf man sogar von der Tondichtung Spring Fire von Arnold Bax träumen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Ein wenig mehr Wagemut in der Programmgestaltung könnte jedenfalls nicht schaden. Natürlich, das fünfte Saisonkonzert der Camerata Salzburg im Großen Saal des Mozarteums war ein lebhaft akklamiertes Wunschkonzert. Für die Orchestermusik der deutschen Romantik ist denn doch ein Dirigent vonnöten, also schwang der junge deutsche Maestro Felix Mildenberger sehr sensibel und aufmerksam den Taktstock. Felix Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre, eines der meistgespielten Konzert-Eröffnungsstücke in Salzburg und überhaupt, erklang allerdings diesmal seltsam schaumgebremst. Das war eher ein sanft sich wiegender Frühlingsregen am Chiemsee als ein Sommertag auf einer windgepeitschten schottischen Insel, das reflektierte eher erbauliche Legenden als gälische Heldensagen.
Auch für die diffizilen Feinabstimmungen zwischen Solostimme und Orchester im ersten Cellokonzert des Camille Saint-Saëns ist ein Mensch am Pult von Vorteil. Hier ließ Mildenberger eine feine Begabung zu mitatmendem Begleiten und transparentem Gestalten erkennen.
Die Camerata trug mit vielen fein musizierten Nuancen, vor allem auch mit exquisiten Bläsersoli, atmosphärisch zu diesem Meisterstück des romantischen Klassizismus bei. Julia Hagen konnte ihr sonores Ruggieri-Cello nicht nur mit betörend schönen, wahrlich erfühlten und erfüllten Kantilenen erblühen lassen, sondern ebenso gehaltvolle Dialoge mit dem Orchester führen.
Die latente Spannung zwischen lyrischer Poetik und dramatischen Akzenten, zwischen instrumentalem Gesang und spielerischer Virtuosität, welche das Stück auszeichnet, wurde auf das Beste getroffen.
Für den Jubel des Publikums bedankte sich Julia Hagen mit einem brillanten Satz aus der Solosuite des katalanischen Starcellisten Gaspar Cassadó.
Eine gute Zugabenwahl, denn erstens passt das südliche Temperament des Stücks zu Saint-Saëns und zweitens wurde es 1921 Francesco von Mendelssohn (1902-1972), einem Enkel von Felix, gewidmet. Der war nicht nur ein begabter Cellist, sondern auch Schauspieler, Regisseur und Kunstsammler und starb als spätes Nazi-Opfer in geistiger Umnachtung im US-Exil.
Damit wären wir beim Schumann-Finale. Freilich, die erste Symphonie entstand noch in bester Hoffnung auf ein glückliches Leben und ist nur selten von dunklen Ahnungen durchwoben. Es siegt der Frühling auf allen melodischen Linien und mit allem tänzerischen Schwung. Im Hintergrund schwebt wohl noch mehr Schuberts „Große C-Dur-Symphonie“, die Schumann drei Jahre zuvor entdeckt hatte, als der immer so beschworene Beethoven. Orchester und Dirigent zeigten sich hier in schöner Einigkeit und brachten das mitreißende Werk in einer Mischung aus schlanker Grazie und lautstarkem Schwung effektvoll zur Geltung.
Bilder: www.juliahagen.com / Julia Wesely (2); Yaltah Worlitzsch / felixmildenberger.com