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Große Gefühle und Winterträume

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE

19/12/22 Ouvertüre, Solistenkonzert, Pause, Symphonie. Die traditionelle Reihenfolge klassischer Orchesterkonzerte kann immer noch verzaubern. In der dritten Sonntagsmatinee des Mozarteumorchesters stand tatsächlich Die große Melodie der Romantik, wie der Titel im Programmheft lautet, im Zentrum.

Von Paul Kornbeck

Zu entdecken war am Sonntagvormittag (18.12.) im großen Festspielhaus, nach zwei wahren Wunschkonzertstücken, eine oftmals unterschätzte Symphonie. Und ein Dirigent, den man sehr gerne bald wieder hierorts am Pult erleben würde – der Lette Andris Poga.

Zu Beginn die Ouvertüre, die Carl Maria von Weber zu seiner letzten, schwer auf die Bühne zu bringenden Oper Oberon geschrieben hat. Man könnte sie auch als symphonische Dichtung bezeichnen, vor allem dann, wenn vom ersten magischen Hornruf an ein so fein differenziertes Klangpanorama ausgebreitet wird, wie dies Andris Poga kann. Halten wir gleich fest, dass im ganzen Konzert die Bläsersoli ein einziger Genuss waren, den Paul Pitzek am Horn eröffnet hat. Dazu kamen leuchtende Streicherklänge und präzises, aber nie vorlautes Schlagzeug. Es wurde wieder einmal vorgezeigt, was für ein famoser Romantik-Klangkörper das Mozarteumorchester auch sein kann.

Mit dem Geiger Ray Chen wird das Orchester unter Ádám Fischer im März auf Südkorea-Tournee gehen. Der aus Taiwan stammende, in Australien aufgewachsene Virtuose, der 2009 den Reine Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel gewonnen hat und seitdem international flott unterwegs ist, wird dann Mozart spielen. In Salzburg stellte er sich aber mit „dem“ Violinkonzert von Max Bruch vor. Es gäbe noch zwei weitere Violinkonzerte von Bruch, die durchaus sehr spielens- und hörenswert sind, wenn auch nicht ganz so Ohrwurm-tauglich wie das erste in g-Moll. Ray Chen nutzte den edlen Klang seiner Stradivari – einst im Besitz von Jascha Heifetz – brillant und perfekt aus und berückte mit großem strahlenden Ton. Der noch junge Mann hat Charisma und Temperament. Was die emotionale Erfüllung im wundersamen Adagio betraf, musste man sich freilich oft mehr an das unter der nuancierten Leitung von Andris Poga grandios mitatmende Orchester halten. Mit dem abschließenden Allegro energico hatte der in der Tat energievolle Solist allerdings das Publikum auf seiner Seite und bewies, als vorbildlicher Ansager seiner Zugabe, dass er auch mit seiner Sprechstimme ein großes Haus füllen kann.

Da spielte er keck und frisch ein Arrangement von Waltzing Matilda, dem australischen Volkslied der Wanderarbeiter, welches Interpreten wie Rod Stewart und Wolfgang Ambros auch außerhalb des fünften Kontinents populär gemacht haben. Es geht darin übrigens nicht um einen Walzer, sondern um die Walz der Handwerksgesellen, und um keine Dame namens Matilda, sondern um die Umhängebeutel der Burschen. Und eigentlich ist das Lied ebenfalls eine „große romantische Melodie“.

Nach der Pause modellierte Andris Poga ohne jegliches Pultstar-Gehabe, doch mit desto mehr Liebe zum Detail wie zum großen Bogen die erste Symphonie des jungen Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, „Winterträume“. Da klingelten im Kopfsatz die Schellen der Schlittenpferde, da breitete sich im herrlich malerischen, mitunter fast „mahlerischen“ Adagio cantabile eine Art „Karfreitagszauber“ im Advent aus – alle Damen und Herren mit Holzblasinstrumenten vor den Vorhang! –, da rauschte im Scherzo ein eleganter Walzer im Ballssal auf und kündigte sich im Finale mächtig der Frühling an. Das Werk mag noch etwas unökonomisch komponiert sein, bei solch einfühlsamer Gestaltung kann man darin in farbigen Tonbildern schwelgen. Großer Jubel – auch vom Orchester für den Maestro.

Bilder: kocyanartists.com Marc Ginot (1); www.raychenviolin.com (1)

 

 

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