Fehlt da was – oder eh nicht?
HINTERGRUND / MOZART-BEARBEITUNGEN
23/11/22 Es war eine spannende Zeit, um und nach 1800. Das Bürgertum erstarkte, kam zu Geld und Selbstbewusstsein. Nicht nur Möbeltischler, auch Klavierbauer hatten Hochkonjunktur. Gut drei Dutzend werkten zeitgleich in Wien. Und eine kleine Armee von Tonsetzern lieferte der neuen Kundschaft Noten aller Art.
Von Reinhard Kriechbaum
Das Klavier war „erfunden“, aber technisch noch nicht ausgereift. Viele also feilten an der Mechanik, entsprechend individuell klangen die Instrumente dieser Zeit. Und es herrschte, eben weil die Musik so sehr geschätzt wurde in den bürgerlichen Wohnzimmern, schier unstillbare Nachfrage nach Noten. Die Bearbeitungen waren nicht, wie man argwöhnen könnte, Verhunzungen von Meisterwerken, sondern behaupteten oft ihren eigenen Wert. Schön also, dass sich Stiftung und Universität Mozarteum in einem längerfristigen Projekt Bearbeitungen von Mozart-Werken im 19. Jahrhundert widmeten. Am Wochenende fand ein Symposion zum Thema statt, und im Wiener Saal gab's am Freitag (18.11.) ein Konzert.
Jammerschade, dass man die Gelegenheit verstreichen ließ, und diese Stücke nicht auf einem Klavier der Zeit (oder überhaupt auf Originalinstrumenten) hat erklingen lassen. Carl Czerny täte sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn er Mozarts Cosi-Ouvertüre, die er für Klavier vierhändig gesetzt und damit seinen Zeitgenossen quasi fürs Wohnzimmer erschlossen hat, auf einem modernen Steinway heruntergeklopft hörte – es ist einfach das grundfalsche Klangbild für diese Art von Musik.
Der Geiger Lavard Skou-Larsen führte eine ambitionierte Quartett-Crew an, die sogar eine Bearbeitung von Agnus und Lux Aeterna aus dem Mozart-Requiem hören ließ. Was es nicht alles gibt! Mozart bleibt immer Mozart, sagte Lavard Skou-Larsen über die Qualität solcher Transkriptionen.Es ist also letztlich egal, ob edles Rosshaar über die Saiten streicht oder befilzte Hämmerchen auf solche klopfen. Zumindest in einem Fall, einer Klarinettenquartett-Fassung von Mozarts Violinsonate KV 378, dürfte die Bearbeitung das Original sogar übertreffen. Da kommt mit den Streichern die dialogische Struktur der Stimmen besser raus als auf dem Klavier. Der Klarinettist Maurycy Hartman hat dieses Stück und einen (originalen) Satz des Klarinettenquintetts fein und eloquent gestaltet mit den Kollegen. Der Schusssatz des Klarinettenquintetts für Klavier allein, ein weiterer Satz in einer Variante für Violine und Klavier – solches war üblich damals, als Kompositionen noch keineswegs als sakrosankt galten.
Die Musikwissenschafter haben zu tun, wollen sie auch nur einigermaßen Übersicht behalten. Ulrich Leisinger, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Mozarteum, sprach in seiner Konzert-Moderation von ungefähr tausend Mozart-Arrangements. Manche zeitgenössische Bearbeiter haben sogar den Namen des ursprünglichen Schöpfers unter den Tisch fallen lassen. Für den Komponisten gab's damals so und so noch keine Tantiemen. Kein Wunder also, dass Mozart selbst Transkriptionen eigener Werke herstellte – bevor die Konkurrenz zuschlagen und absahnen konnte. Mit Mozart ließ sich jedenfalls bald Geld machen, das erkannten Bearbeiter und Verleger.
Die Frage „Fehlt da was – oder eh nicht?“ ist jedenfalls nur Stück um Stück, Bearbeitung um Bearbeitung zu beantworten. Die Motivation für solche Arrangements – die populärsten heute noch gespielten sind die die Flöten-Duette über Melodien aus dem Figaro, dem Don Giovanni und der Zauberflöte – waren ganz unterschiedlich. Das reicht von der Hausmusik bis zum konzertanten Vorzeigestück. Immer muss man mitbedenken, dass die Menschen damals keine Schallplatten, keine CDs zur Verfügung hatten. Wer Mozart kennen lernen wollte, musste sich allein oder mit Partnern hinsetzen und sich eben die Noten vorknöpfen, die Arrangeure in jeder erdenklichen Besetzung bereit stellten. Unlängst haben wir an dieser Stelle eine CD mit dem Titel „Pocket Mozart“ besprochen – da ist sogar eine Reduktion von einem der Preußischen Quartette KV 575 für zwei Violinen drauf!
Bild: www.b2pmanagement.eu
Zur CD-Kritik „Pocket Mozart“
Mozart für ziemlich große Taschen