Rund zehn Orgeln pfeifen aus dem letzten Loch
HINTERGRUND / ORGELDATENBANK
03/04/19 Wie viele Orgeln gibt es eigentlich im Bundesland Salzburg? „330 bis 350 werden es sein“, sagt Philipp Pelster, der seit Jahren umgeht in Stadt und Land, um den Orgelbestand zu sichten und den Zustand der jeweiligen Instrumente zu dokumentieren.
Von Reinhard Kriechbaum
Seit wenigen Tagen ist auf der Website der Erzdiözese eine Orgeldatenbank online. Aktuell sind dort 230 Orgeln eingetragen. „Man glaubt es nicht, in wie vielen kleinen Kapellen Orgeln stehen“, sagt Philipp Pelster im DrehPunktKultur-Gespräch. Eine Orgeldatenbank habe es zwar vor vielen Jahren schon mal gegeben, aber die kam durch eine Fragebogen-Erhebung zustande. Entsprechend lückenhaft und fehlerhaft war sie. Eine weitere Orgel-Wiki im Netz verzeichne zwar gut siebzig Prozent der Salzburger Orgeln, aber auch die Auskünfte dort seien nicht so, wie Musiker und Denkmalschützer sich das vorstellen. „Eine solche Datei muss Hand und Fuß haben“, sagt Pelster, und so sind er und seine Kollegen, die Regionalkantoren der Erzdiözese, in den vergangenen Jahren ausgeschwärmt, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen von den Orgeln im ganzen Land.
So etwas wie Thomatal im Lungau muss man gesehen haben“, sagt Pelster. „Eine Kirche ohne elektrischen Strom, man fühlt sich wie in Schlafes Bruder“, schmunzelt der Orgel-Sachverständige. Die Orgel (aus dem 18. Jahrhundert, aber mehrmals umgebaut) sei desolat - aber sie wird in Gottesdiensten dennoch gespielt. Zewei sind dafür nötig, die Organistin und ein Balgtreter.
„Ungefähr zehn Orgeln pfeifen aus dem letzten Loch“, so Pelster. Das wäre bei über dreihundert Instrumenten in Salzburg kein so schlechter Stand. Aber dramatisch sei generell der Schimmelbefall. Mit dem Beheizen der Kirchen hat die Luftfeuchgtigkeit zugenommen, das fördert die Schimmelbildung – für Denkmalschützer und Orgelbauer heutzutage ein Schreckgespenst. Ein Positivbeispiel ist die Kirche in Thierbach (Wildschönau im Tiroler Teil der Erzdiözese). „Die hat im Winter minus 20 Grad, da haben Feuchtigkeit und Schimmel keine Chance“, erklärt Pelster. „Das Leder hält seit hundert Jahren.“
Aus dem Jahr 1613 stammt die älteste Orgel in der Erzdiözese, in St. Nikolaus, Golling/Torren. Ein Großteil der historischen Instrumente in Salzburg stammt aus der Zeit von 1860 bis 1900, „also aus der mechanischen Epoche“. Bei seinen Erhebungs-Streifzügen hat der Sachverständige nicht nur „neue Gegenden und wunderbare Menschen kennen gelernt“, sondern auch viele neue Einblicke in die Geschichte des Orgelbaus in Salzburg gesammelt. „Wenn ich Zeit finde, mache ich vielleicht ein Buch draus“, sinniert er. Material gäb's genug. „Von Albert Mauracher (1858-1917) zum Beispiel habe ich Orgeln gesehen, die könnte man heute nicht besser bauen.“ Die Mooser-Orgel in Untertauern aus den 1940er Jahren wäre eine Restaurierung wert. Man denkt dort schon ernsthaft drüber nach, aber es eckt noch am Geld.
Ein Nebeneffekt der neuen Orgeldatenbank: Durch die Besuche des Sachverständigen ist mancherorts das Bewusstsein dafür gewachsen, was für Kleinodien vorhanden sind. Und ein praktischer Nutzen: Organisten, die irgendwo zu einer Aushilfe eingeladen sind oder in einer ihnen unbekannten Kirche beispielsweise bei einer Hochzeit spielen, können sich ehzeitig schlau machen über Tastenumfang, Stimmung, aber auch über Defizite des jeweiligen Instruments. Bis Ende des Jahres soll die Datenbank fertig gefüttert sein.
Ein heikles Thema ist immer: Welche Orgeln soll man erhalten und restaurieren, wann ist ein Neubau angebracht? Da entscheidet immer auch der Zeitgeist. Mit dem Aufkommen der Originalklangbewegung hat man manches Werk aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zerstört und durch neue Instrumente eben nach barockem Klangmuster ersetzt. Deshalb gibt es aus dieser Zeit nur ganz wenige Instrumente. „Aus heutiger Perspektive würde man viele Instrumente, die seit den 1960er Jahren durch Neubauten ersetzt wurden, erhalten“, mutmaßt Philipp Pelster. Aber darüber denkt man in zwanzig, dreißig Jahren vielleicht schon wieder anders. Ein Grund mehr, das Vorhandene in einer Orgeldatenbank aufs Genaueste zu dokumentieren.