Ehrenrettung für Stephen Heller
CD-KRITIK / BILIANA TZINLIKOVA
19/07/16 Klavierfans, aufgepasst: Mit ihrer neuesten Aufnahme, die sich ausschließlich Stephen Heller widmet, holt Pianistin Biliana Tzinlikova – hoffentlich erfolgreich – einen vergessenen Komponisten ins Gedächtnis zurück.
Von Horst Reischenböck
Stephen Heller? Nie gehört … Ursprünglich hieß er István. In Pest (damals noch nicht mit Buda vereint) ist er 1813 geboren worden,im selben Jahr wie Wagner und Verdi. Ein Wunderkind, aus dem aber sein Vater vor allem finanziellen Vorteil schlagen wollte und ihn damit physisch an den Rand des Ruins trieb. Der Zeitgenosse von Chopin, Schumann, Liszt, aber auch Brahms ließ sich dann dauerhaft in Paris nieder. Vielleicht ist er auch deshalb heutzutage so gut wie unbekannt, weil er sich in seinem Schaffen einzig auf sein Instrument, eben das Klavier, konzentrierte.
Die Bulgarin Biliana Tzinlikova, die nach ihrer Ausbildung am Mozarteum nun selbst an der Musikakademie in Salzburg lehrt, wurde nach ihrem dankenswerten Einsatz für Franz Anton Hoffmeister aus Mozarts Umfeld nun im weit virtuoseren Schaffen Hellers fündig und hat sich in drei seiner Variationenzyklen vertieft: allesamt Ersteinspielungen.
1829 veröffentlichte er als Opus 1 „Théme de Paganini varié“, in denen er dem Einstieg ins Finale aus dessen berühmten Erstem Violinkonzert vorerst verspielte Läufe, als Kontrast aber auch verinnerlichte, melancholisch moll-getönte Innehalten verordnete, ehe beschwingte Kapriolen „alla Polacca“ nach zehn Minuten einen schwungvollen Schlusspunkt setzen.
Umfangreicher fielen die zeitgleich erschienenen „Variations Brillantes sur un thème polonais“ op. 5 aus, die Tzinklikova davor platzierte. Nach majestätischem Einstieg folgt ein halbes Dutzend Veränderungen über eben eine polnische Melodie, deren Beginn etwas an den bekannten „Carnevale di Venezia“ erinnert. Dann wird spritzig das in Fußballkreisen geläufige „Immer wieder, immer wieder“ vorweggenommen. Ausgezeichnetes Futter für die ausführende Pianistin, um brillante Technik mit glitzernden Kaskaden zu krönen und dem im abschließenden Marsch noch eins draufzusetzen.
Der Komponist, der Heller „am meisten beeindruckte, war Beethoven.“ Dennoch setzte er sich spät, 1872, mit dessen wohl für ihn übermächtigen Schatten auseinander. Entsprechend gewichtig fielen seine Variationen op. 133 über das nachdenkliche Andante con moto-Thema vom langsamen Satz aus der „Appassionata“ aus, die Biliana Tzinlikova an den Beginn stellte. Da klingtsogar der „Mälzel-Kanon“ aus Beethovens 8. Sinfonie an. Nach romantischem Aufrauschen wird zur ersten Viertelstunde auch tänzerische Bewegung aus der Vorlage gekitzelt, später winken dann auch Chopin und Schumannsche Jagdklänge herüber. Beeindruckend also die innewohnende Fülle, an der Beethoven sicherlich seine Freude gehabt hätte. Hoffentlich wendet sich die Künstlerin auch noch Stephen Hellers 33 Variationen über ein Beethoven-Thema op. 130 zu!