Con amore
CD-KRITIK / ROLANDO VILLAZÓN
27/08/14 In Baden-Baden sang der der mexikanische Tenor bereits 2011/12 erfolgreich den Don Ottavio im „Don Giovanni“ und den Ferrando in „Così fan tutte“ (beides kann man auf CDs der Deutschen Grammophon nachhören). Nun wirft er sich mit vollem Einsatz für Konzertarien von Wolfgang Amadé Mozart ins Feuer – wie man in der jüngsten Mozart-Matinee auch bei den Festspielen hören konnte.
Von Horst Reischenböck
Wie der Zufall so spielt: In einem Münchner Musikgeschäft „fiel mir eine Ausgabe von Mozarts Konzert-Arien für Tenor in die Hände“, so Rolando Villazón eigenen Worten nach. Damals sei ihm spontan die Idee gekommen, das könnte ein Aufnahmeprojekt werden. Nicht nur das: Er singt diese Arien mittlerweile auch Konzerten. Die Einspielung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die nicht chronologisch gereihte Auswahl beginnt mit Mozarts frühester erhalten gebliebener Gesangskomposition überhaupt, „Va', dal furor portata“ KV 19c (21), in London geschrieben, erstaunlich ausdrucksstark und nur in Vater Leopolds Handschrift erhalten. Für sie verließ sich der Sänger auf die Kadenzen von Christoph Prègardien.
„Or che il dover“ - „Tali e cotanti sono“ KV 33i (36) entstand hingegen in Salzburg als „Licenca“ zur Jahrestagsfeier des Amtsantritts von Fürsterzbischof Sigismund Graf Schrattenbach. Das Angebot reicht dann über „Se al labbro mio non credi“ KV 295 – ein Einschub in Johann Adolf Hasses Oper „Artaserse“ – bis hin zu „Per pietà, non ricercate“ KV 420, mit der Wolfgang der sonst längst vergessenen Oper „Il curioso indiscreto“ Pasquale Anfossis 1783 in Wien einen gewaltigen Qualitätsschub vermittelte. Damit hat Mozart sich übrigens quasi selbst ein Ei gelegt, weil Mitbewerber haushoch überlegene Kollegen mitunter schlecht ertragen und deshalb zu unterdrücken versuchen.
Villazóns komödiantischem Temperament kommen besonders die Ersatzstücke für Niccolò Piccinis opera buffa „L'istratto, ovvero il giocator fortunato“, 1775/76 in Salzburg komponiert, entgegen. Die eine „Con ossequio, con rispello“ KV 210 stimmlich perfekt differenziert, um die offizielle Ergebenheit des Capitaine Faccenda vom Interpreten durch Aussage betreffs Überheblichkeit, Unwissenheit und Dummheit zu konterkarieren (was Villazón beim Auftritt in der Mozart-Matinee der Salzburger Festspiele jüngst sogar noch mit Andeutung eines Furzes zusätzlich akustisch „würzte“). Vielleicht unterschwellig willkommenes Versteck für Mozart, um auch auf den ungeliebten Landesherrn Colloredo anzuspielen?
Und als funkelnde Krönung, „Clarice e cara mia sposa“ KV 256, wie eine Vorwegnahme von Gioachino Rossini und voll der Anweisung „In tempo comodo d'un gran ciarlone“ (im Tempo und Tonfall eines großen Schwätzers und Aufschneiders) in schnellem „sillabato“ entsprechend virtuos parlierend gesteigert. Dazu steuerte Dirigent Sir Antonio Pappano seine Stimme für die Einwürfe von Don Timoteo bei.
Mit lyrischem Schmelz dagegen gefühlvoll „Misero! O sogno o son desto“ - „Aura che intorno spiri“ KV 425b (431) und „Dove mai trovar quel ciglio“ aus dem Opernfragment „Lo sposo deluso“ KV 424a (430), auch gegebenenfalls mit metallischem Timbre, das Italienisch garniert mit charakteristisch spanisch rollendem R. Das stört nicht so sehr wie zum Abschluss Villazóns Deutsch in „Müsst ich auch durch tausend Drachen“ KV 416b (435), eine Arie, die in der einstigen Gesamtaufnahme mit dem Mozarteumorchester unter Leopold Hager ausgespart blieb. Da hätte ein Sprachcoach gut getan! Immerhin peppte dazu Pappano dazu das exzellente London Symphony Orchestra entsprechend auf.