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Aus Jedermann wird Zittermann

CD-KRITIK / JEDERMANN-MUSIK

18/07/14 Im schrägen Blech-Sound kommt „Der Teufel“ daher. Da ist es kein Wunder, dass aus dem Jedermann ein „Zittermann“ wird – übrigens einer mit deutlichen Klezmer-Anklängen, an denen es generell nicht fehlt in der aktuellen Bühnenmusik zum „Jedermann“, die es auch auf CD gibt.

Von Horst Reischenböck

Der Stoff ist kostbar vor dem Spiel / Dahinter aber liegt noch viel“, heißt es im „Jedermann“. Immer auch Musik, die sich mehr oder weniger einprägt. Jedenfalls gehörte zum Spiel vor dem Dom von Anbeginn an Musik dazu. Seit dem Vorjahr ist das „Ensemble 013“ dort am Werk.

Ursprünglich, im Jahr 1920 und schon bei der Uraufführung des „Jedermann“ 1911 in Berlin, war es Einar Nilson, der das Spiel vom Sterben des reichen Mannes musikalisch umrahmte. 1926 hat Domkapellmeister Joseph Messner dessen Musik ergänzt. Eine Langzeit-Version, zu der offenbar auch Dirigent Bernhard Paumgartner dann Eigenes beisteuerte und auf die immer wieder zurückgegriffen wurde. Für die Besitzer einer Aufnahme aus dem Jahr 1958 ist das noch nachzuhören.

Im Lauf der Jahre wurden auch Kompositionsaufträge immer wieder an andere vergeben: 1961 an niemand Geringeren als Ernst Křenek, 1969 an Paul Angerer, 1983 an Gerhard Wimberger, 1995 an Werner Pirchner und ab 2002 Markus Zwink. Die Monologe Jedermanns regten auch den Schweizer Komponisten Frank Martin zur Vertonung ohne Bindung an eine konkrete Aufführung an.

Zur Neuinszenierung im Vorjahr schickten sich vor allem aus dem Jazz kommende Musiker an, in Zusammenarbeit mit Regisseur Julian Chrouch und dem musikalischen Leiter Martin Lowe, von dem auch die meisten Arrangements stammen, eine neue, aufregend spektakulär klingende Folie beizusteuern. Dass sich die Gruppe „Ensemble 013“ nennt, hat nicht mit dem Premierenjahr, sondern mit der Zahl der Musiker zu tun. Auf der CD sind sie aber kurzzeitig sogar 14, denn zu der von dem Salzburger Schlagzeuger Robert Kainar angeführten Schar kommt als eine Art Bänkelsänger Stephan Kreiss („Oh weh … Frau Minne … ein kalter Schnee“). Als Liebe auf den ersten Blick“ beschreibt Robert Kainar die Stimmung in der Musikergruppe, und das ist dieser Aufnahme auch Nummer um Nummer anzuhören.

Ein Wirbelwind, durch verschiedenste Kulturen und Klangbilder angeregt, stark von Balkaneinflüssen her rhythmisch akzentuiert, jazzig fetzend, mitunter auch volkstümlich und sogar orientalisch beeinflusst. Und – positiv – auch in den besinnlicheren Momenten ohne jegliches Abdriften in kitschige Anbiederungen hinein: Unwillkürlich denkt man an Arvo Pärt im „Gebet“ (es ist aber eine Episode von Bernhard Paumgartner eingebaut), wie überhaupt das Spiel mit Zitaten in diesem tönenden Kunterbunt höchst anregend ist. Auch Einar Nilsons originale Jedermann-Musik kommt zu ihrem Recht („Benedictus“). So halten es ja auch die Regisseure Julian Crouch und Brian Mertes, die betonen: „Wir werfen die alten Dinge nicht einfach alle weg. Wir greifen auf vielfältige Weise auf das Originalmaterial zurück, um der Sache insgesamt frische Impulse zu geben.“

Auf den so temperamentsgeladenen wie gemessenen und mit vokalem „Tralala“ ironisch gewürzten Trauerschritt im „Begräbnis“ folgt die Perspektive auf einen „anderen Garten“, in dem die Tuba den Swing vorgibt. – Solche Kontraste sind vielfältig ausgehört und die Mischung von Streichern, Harfe, Banjo, Akkordeon und Bläsern ergibt ein schlicht mitreißendes Resultat. Die Nummernfolge ist zwar als Untermalung für das Schauspiel entstanden, dennoch ist sie abstrakt auch ohne bildliche Assoziationen wirksam und damit mehr als bloß ein „Soundtrack“.

Um etwas vom szenischen Flair mitzubekommen, stehen seit dem Vorjahr die Karten übrigens auch für jene günstig, die keine „Jedermann“-Karten ergattert haben: Die Schauspiel- und Musikergesellschaft macht sich seit dem Vorjahr ja nicht mehr in Taxi oder Shuttlebus Richtung Domplatz auf, sondern zieht in Form einer bizarren Prozession vom Festspielbezirk los. Touristen und zufällig des Wegs kommende Einheimische lässt das mit schöner Regelmäßigkeit fasziniert innehalten.

JEDERMANN ENSEMBLE 013. sowiesound records, sws 1013 – sowiesound.com; www.lotusrecords.at
Jedermann-Premiere ist in diesem Jahr zu später Stunde, morgen Samstag (19.7.) um 21 Uhr – www.salzburgerfestspiele.at

 

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