Die Dramatik beim Wort genommen
CD-KRITIK / L’ORFEO BAROCKORCHESTER / SCHUBERT
31/07/12 Zum 15.Jahre-Jubiläum des „L’Orfeo Barockorchesters hat sich Michi Gaigg erstmals mit Franz Schubert beschäftigt. Das Konzert geriet zum Ereignis, man kann es jetzt auf CD nachhören.
Von Horst Reischenböck
An Schuberts 5. Sinfonie in B-Dur D 485 haben sich schon andere Ensembles auf Originalinstrumenten versucht. Beispielsweise herkömmlich konventionell 1988 Roy Goodman mit The Hanover Band oder, vier Jahre später, das Orchestra Anima Eterna unter Jos van Immerseel. Im selben Jahr auch Sir Charles Mackerras und das umfangreich besetzte Orchestra of the Age of Enlightenment, womit man den Hörern sinfonisches Gewicht zu suggerieren suchte.
Michi Gaigg benötigt nur halb soviel Ausführende, um zu verblüffender, ja geradezu überrumpelnder Sehweise zu gelangen. Steht Schuberts Werk, von seiner Entstehungszeit September 1816 gesehen, zwar eigentlich noch am Ende seiner wesentlich vom lyrischen Lied geprägten Phase, so gelingt es dem phänomenal musizierendem L’Orfeo Barockorchester, der dem Werk unterschwellig innewohnenden Dramatik gerecht zu werden. Diese wird in den meisten Wiedergaben ja leider negiert. Das gilt nicht nur für das nachweisbar durch Mozarts G-Moll-Gegenstück KV 550 inspirierte Menuett.
Geschärft ausgespielte Akzente, harsch ausgehörte, absolut plausible Klangfarben belegen, wie es wohl trotz aller scheinbarer lieblicher Kostümierung, schon damals in Schuberts Unterbewusstsein ausgesehen haben mag. So kühn war beispielweise die Modulation des Seitenthemas im Andante noch nie zu vernehmen. Hut ab vor derart konsequenter Deutung!
Zusätzlichen Reiz bietet die CD durch fünf Konzertouvertüren, die in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zur „Fünftn“ entstanden sind. Die meisten sind nun das erste Mal auf Originalinstrumenten aufgenommen worden. Von diesen Stücken ist eigentlich nur jene in C-Dur „im italienischen Stil“ D 591 mehr oder weniger im Repertoire verankert. Ihr im Deutsch-Verzeichnis zuvor gereiht ebenso reizvolles Schwesterwerk in D und drei weitere, darunter ein gewichtig dramatisches e-Moll-Opus, belegen auch Schuberts sinfonischen Geist.
Franz Schubert: Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485; Ouvertüren in B-Dur D 470, D-Dur D 556, „im italienischen Stil“ D-Dur D 590 und C-Dur D 591, e-Moll D 648. L’Orfeo Barockorchester, Ltg.: Michi Gaigg. deutsche harmonia mundi / SONY CD 88697911382
Als nächstes Projekt wird Michi Gaigg mit dem L’Orfeo Barockorchester am 4. August bei den donauFESTWOCHEN in Grein erstmals Mzarts „La Betulia liberata“ auf Originalinstrumenten gestalten. - www.lorfeo.com, www.donau-festwochen.at