Wolferl stand Pate
CD-KRITIK / MOZARTEUMORCHESTER / LIN LIAO
28/02/24 Viel zu wenig ist im Bewusstsein der Musikliebhaber verankert, welchen Einsatz das Mozarteumorchester für zeitgenössische Komponisten leistet. Eine brandneue Aufnahme mit Werken von Hans Werner Henze macht dies deutlich. Animierend, hörenswert!
Von Horst Reischenböck
Anlässlich des zehnten Todestages von Hans Werner Henze gab das Mozarteumorchester unter der Leitung der aus Taiwan gebürtigen Dirigentin Lin Liao im November 2022 ein Konzert im Orchesterhaus. Die Aufnahme liegt nun als CD vor. Henze ist ja mit Salzburg und den Festspielen durchaus verbunden, 2003 beispielsweise durch die Uraufführung von L‘Upupa oder drei Jahre später von Gogo no Eiko. Bereits 1977, für Gidon Kremer geschrieben und von diesem gespielt, erklang Il Vitalino raddoppiato, basierend auf einer Ciacona, Tomaso Vitali zugeschrieben. Nun hat sich das Mozarteumorchester ihrer angenommen.
Henze beschäftigte sich schon zuvor mit barocken Vorgängern. So orchestrierte er 1976 Giacomo Carissimis Oratorium Jephte, im gleichen Jahr Giovanni Paisiellos Don Chisciotte und 1981 Claudio Monteverdis Il ritono d‘Ulisse di Patria. Und nachdem er schon 1977 für die Berliner Philharmoniker eine Suite Telemanniana geschrieben hatte, bestellte das aus deren Reihen rekrutierte Scharoun Ensemble drei der Sonate all‘Epistola. Anlass war Mozarts 200. Todestag. In der Alten Oper Frankfurt aus der Taufe gehoben, wurde die Aufführung der Stücke jedoch nicht dokumentiert.
Dafür erklingen diese Mozartschen Orgelsonaten für 14 Spieler nun auf der neuen CD. Die Dirigentin Lin Liao ist eine ausgefuchste Spezialistin für Neue Musik. Im geistreichen ll Vitalino raddoppiato sowie in der im Zweiten Weltkrieg entstandenen Konzertmusik für Violine und kleines Kammerorchester brilliert der chinesische Geiger Ziyu He als Solistin. Er hat bei Paul Roczek am Mozarteum studiert. Erst vor sieben Jahren entdeckt, musste die geplante Uraufführung bei den Osterfestspielen 2020 entfallen und wurde in München nachgeholt. In der Ersteinspielung durch das Mozarteumorchester gebärden sich die drei Sätze als durchaus auf der Höhe ihrer Zeit: dankbar, spritzig sowohl für den Solisten wie die Begleiter.
Entgegen der von Orchesterdirektor Siegwald Bütow im Booklet freudvoll geäußerten Ansicht, hatte das Mozarteumorchester bei den beiden anderen Werken nicht die Nase vorn: Den Rang abgelaufen hat ihm gut ein halbes Jahr zuvor das Orchestra di Padova e del Veneto, das dadurch zu Vergleichen anregt. Von der Spieldauer lassen sich beispielsweise die Italiener zusammen mit der Solistin Anna Tifu für Il Vitalino raddoppiato dreieinhalb Minuten mehr Zeit. Was nichts über die Qualität der Audführung aussagt! Bestechen doch beide Interpretationen gleichermaßen durch virtuose Eloquenz.
Bei der Trias Mozart'scher Orgelsonaten, die Henze raffiniert zu einer klassischen Sonate bündelte, scheiden sich dann aber doch noch die Geister. Vor allem im Finale der Nr. 15, bei dem die Paduaner zwei Minuten früher in die Zielgerade einbiegen. Die exzellenten Solisten des Mozarteumorchesters geben sich weniger „verspielt“, bestimmter, nachdrücklicher – von der Themenexposition bis zum (Mozart eigentlich widersprechenden) Ausklang: Wollte dieser doch die letzten Takte von piano zu einem bekräftigenden forte hin ausgeführt wissen, während Henzes Version sie konträr più che pianissimo auslaufen heißt.