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Ehrenrettung für Antonio Salieri

CD-KRITIK / CONCENTUS MUSICUS / HARNONCOURT

29/01/18 Zwei Mal hat sich Nikolaus Harnoncourt Salieris Divertimento teatrale „Prima la musica e poi le parole“ gewidmet und es beide Male mit Mozarts Gegenstück verbunden, der Komödie „Der Schauspieldirektor“. Die jüngere der beiden Aufnahmen ist ein Live-Mitschnitt von der Salzburger Mozartwoche 2002.

Von Horst Reischenböck

Vor gut dreißig Jahren beschäftigte sich Nikolaus Harnoncourt in den Niederlanden erstmals mit dem durch Kaiser Josef II. für die Orangerie in Schönbrunn bei Salieri und Mozart in Auftrag gegebenen musikalischem Duell um die Vorherrschaft von Wort oder Musik auf der Opernbühne. Anlass war der anstehende Besuch des Schwagers Albert von Sachsen-Teschen. Dieser war wie Schwiegervater Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen und wie Mozart Freimaurer, ihm verdankt die Wiener Albertina ihren Namen.

TELDEC presste 1986 noch beide Werke auf eine LP zusammen, aus Platzmangel unter Verzicht auf die zum eigentlichen Verstehen von Salieris Oper unerlässlichen Rezitative. Die wirksame und geistreiche Handlung sollte dann 150 Jahre später auch Ausgangspunkt für Richard Strauss' Oper „Capriccio“ werden.

Diese Rezitative sind auf der neueren Aufnahme nun endlich komplett. Welchen Spaß das Libretto von Giambattista Casti auch heute noch bietet, beweist die mit aufgenommene Publikumsreaktion aus dem Großen Saal des Mozarteums. Dieses Libretto ist fürs Booklet neu übersetzt (haushoch überlegen der alten Übertragung, in weit präziserem Deutsch). Mitlesen ist also empfehlenswert. Ähneln doch die Timbres von Manfred Hemm als Maestro und Oliver Widmer als Poeta, die ihre Partien hörbar gekonnt bis in Karikatur hinein ausreizen, einander mehr als früher Robert Holl und Thomas Hampson. Standen denen damals die Donna Eleonora von Roberta Alexander und Julia Hamaris Tonina zur Seite, so erkühnt sich in Salzburg Melba Ramos als Sopran, eine einem „Primo Uomo“, Kastraten, zugedachte Heldenarie zu singen. Für das einst adelige Wiener Publikum war das naturgemäß äußerst amüsant. Neben ihr spielt auch Eva Mei ihr komödiantisches Temperament voll aus.

Den Haupt-Trumpf bilden allerdings die Originalinstrumente des Concentus Musicus. Hinter dem verblasst selbst ein Spitzenklangkörper wie das Concertgebouw Orkest Amsterdam. Wobei Harnoncourt sowohl seinem Ensemble wie auch sich beim zweiten Mal Details und unterstreichender Ausmalung der Begleitung geringfügig mehr Zeit gönnte.

Das trifft im Vergleich auch auf Mozarts Musik zu seiner deutschen Komödie zu. Zum Schlussgesang steuerte einst Harnoncourt persönlich die Worte des Schauspieldirektors bei. In der jüngeren Aufnahme sind sie durch Werner Schneyder ersetzt, der den Singspiel-Text von Johann Gottlieb Stephanie d. J. bearbeitend kürzte und – als Kabarettist, der er ist – sie auch aktualisieren zu müssen glaubte. In der konzertanten Mozartwochen-Aufführung am 3. Februar 2002 gab es Anspielungen aufs Salzburgs Landestheater, auf die Festspiele und das Adventsingen, an denen aber der Zahn der zeit nagte. Das einst lustig Gedachte ist anderthalb Jahrzehnte später nur mehr für Kenner der Szene nachvollziehbar.

Dankenswert offeriert die zweite CD jedoch auch die Möglichkeit, dem zu begegnen und entgehen. Die Dialoge ausgeklammert, bietet der willkommene Füller Gelegenheit, allein den fünf Nummern von Wolfgang Amadés Musik hintereinander genussvoll zu lauschen. Eva Mei ist nun die Madame Herz, Patricia Petibon steuert die geforderte Stimmakrobatik in den übertriebenen Koloratur-Juwelen der Mademoiselle Silberklang bei. Ihnen zur Seite Markus Schäfer als Monsieur Vogelsang und Oliver Widmers Buff. Die Besetzung ist erste Wahl, verglichen mit der alten Aufnahme (Magda Nador, Krisztina Laki, Thomas Hampson, Harry van der Kamp).

Wie nicht nur Harnoncourt befand, hat Salieri sogar einen Mitbewerber wie Mozart eindeutig in den Schatten zu stellen vermocht.

A. Salieri Prima la musica e poi le parole / W. A. Mozart Der Schauspieldirektor KV 486
Eva Mei, Patricia Petibon und Melba Ramos, Manfred Hemm, Markus Schäfer und Oliver Widmer
Concentus Musicus Wien, Ltg. Nikolaus Harnoncourt. belvedere / Stiftung Mozarteum 2 CDs 08035 – www.prestoclassical.co.uk
Magda Nador, Krisztina Laki, Thomas Hampson, Harry van der Kamp, Concertgebouw Orkest Amsterdam, Ltg. Nikolaus Harnoncourt. TELDEC 1 CD 5846804 – www.jpc.deschauspieldirektor

 

 

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