Nicht schmatzen beim Zuhören!
CD-KRITIK / MENSA HARMONICA
23/02/18 Das Jahr 1682 bescherte Salzburger Musikern Hochkonjunktur. Das 1100jährige Bestehen des Erzstiftes war zu feiern. Die 53stimmige „Missa Salisburgensis“ ist von der Besetzung her das aufwändigste zu dieser Gelegenheit entstandene Werk. Musikhistorisch nachhaltiger wirkten freilich andere Stücke.
Von Reinhard Kriechbaum
Heinrich Ignaz Franz Biber steuerte zu den Festivitäten eine Sammlung von Tafelmusiken unter dem Titel „Mensa sonora“ bei. Georg Muffat war auch nicht faul und ließ seinen „Armonico tributo“ erscheinen. Die süddeutsch/österreichische Geigenmusik wäre viel ärmer ohne diese Sammlungen.
Deutlich weniger bekannt: „Mensa Harmonica“ von Andreas Christoph Clamer, nun eingespielt vom Ensemble „dolce risonanza“. Auch das sind Tafelmusiken. Ihr Schöpfer war Geistlicher, Zeremoniär des Fürsterzbischofs, Leiter und Ausbilder der Chorknaben am Salzburger Dom.
Auffallend: Die vierstimmigen Streichersätze sind für zwei Geigen, Bassgambe und Violone gesetzt, der Bass ist nicht beziffert, also möglicherweise ohne Tasteninstrument ausgeführt worden. Auf dem Titelblatt ist aber auch eine Ausführung „duabus vocibus“ vorgeschlagen. Also für eine Geige und ein die anderen Stimmen zusammenfassendes Tasteninstrument. So halten es Gunda Hagmüller (Violine) und Anton Holzapfel (Cembalo) zumindest bei einer der sechs Partiten, eine andere ist variabel mit Streichern und Cembalo besetzt. Vier Partiten gestalten allein die Streicher. Man kann sich gut vorstellen, dass die Spieler, ohne Tasteninstrument natürlich beweglicher, beim Souper nahe an die zuhörende Kundschaft gerückt sind. Oder sie sind im Schlosspark oder in den Wasserspielen von Hellbrunn mit den Gästen des Erzbischofs weitergezogen.
Angeblich wurde in Salzburg gut hingehört auf die Musik, auch beim Essen. Das würde erklären, dass die erste Partita mit einem exzessiven Lamento anhebt, zu spielen „Adagio quanto si puo“, also so langsam wie nur möglich. Sechseinhalb Minuten dauert dieser Klagegesang, fürwahr nichts zum Nebenher-Hören!
Sonst finden sich in den Partiten Tanzsätze mit lustvollen Synkopen, oft stehen „Saltarello“ überschriebene Sätze am Ende, die aber nicht exzessiv motorisch wirken. Diese Musik war ja auch dezidiert nicht geschaffen, um den Zuhörerinnen und Zuhörern in die Beine zu fahren. Es sind keine Tanzmeister- oder gar Ballettmusiken. Eher etwas zum bewussten Hören, auf der Höhe der Zeit, freilich nicht mit dem geigerischen Raffinement eines Biber ausgestattet. Es heißt, an der Tafel des Salzburger Erzbischofs wurde schweigend gegessen. Vielleicht ist den Zuhörern aufgefallen, wie gediegen Bassgambe und Violone gesetzt sind, wie sie als ineinander verwobenes Fundament tatsächlich ein Tasteninstrument ersetzt haben.