Aus einem weniger bekannten Lustgarten
CD-KRITIK / BALTHASAR FRITSCH
18/09/17 Wie viele Sammlungen mit dem Titel „Newe Teutsche Lieder“ mögen im Lauf des 16. und frühen 17. Jahrhunderts erschienen sein, zwischen den Notendrucken des Georg Rhau (ab 1538) und den Editionen mit so liebenswürdig-poetischen Bezeichnungen wie Samuel Scheidts „Lieblichen Kraftblümlein“ aus 1635.
Reinhard Kriechbaum
Solch liebliche „Kraftblümlein“ – entnommen den gut hundert Jahre jüngeren „Karlsruher Tulpenbüchern“ – zieren sehr stimmig das Cover der CD mit rarer, hier erstmals eingespielter Musik von Balthasar Fritsch.
Volkstümliche Villanellen und die italienische Madrigalkunst der Spätrenaissance und des Frühbarock reizten deutsche Tonsetzer, es auch in ihrer Sprache zu versuchen. Stücke aus dem „Venus Kräntzlein“ von Johann Hermann Schein (1609) haben in heutige Chorbücher Eingang gefunden, und geradezu unverzichtbar sind Lieder des einschlägig überaus produktiven Erasmus Widmann (1606, 1611). Und nicht zu vergessen auf Hans Leo Haßler, der um die Jahrhundertwende nicht nur einen „Lustgarten“ beigesteuert hat: Der Bedarf an solcher vokaler Hausmusik scheint riesig gewesen zu sein.
In genau der Zeit der letztgenannten drei Komponisten lebte in Leipzig ein gewisser Balthasar Fritsch. Der Name wird ausschließlich jenen unterkommen, die sich in der lokalen Musikgeschichte auskennen. Man weiß so gut wie nichts über das Leben dieses Geigers und Komponisten, schon gar keine konkreten Lebensdaten. Zwei Notendrucke gibt es von ihm, beide sind 1608 erschienen: eine Sammlung vierstimmiger Paduanen und Galliarden, und „Newe deutsche Gesänge nach Art der welschen Madrigalien“ für fünf Stimmen.
Kleinmeisterliche Musik fürs häusliche Musizieren ganz im Idiom der Zeit? Vielleicht doch nicht ganz. Manches an diesen Stücken wirkt irgendwie unbekümmerter, lockerer – aber das hat wohl auch viel mit der Interpretation durch die Sopranistin Ulrike Hofbauer und das Gambenensemble „Musicke & Mirth“ zu tun. Mit Mutterwitz lassen sie sich auf die per se wenig spektakulären Dinge ein. Balthasar Fritsch mag in der betriebsamen Handelsstadt viel italienische Musik untergekommen sein. Der Manierismus ist ganz offensichtlich nicht an ihm vorüber gegangen, reizte ihn vermutlich zum einen oder anderen (bescheidenen) harmonischen Experiment. Was ist von ihm bewusst manieristisch formuliert, was ist bloß satztechnisch ein klein wenig unbeholfen geraten? Die vier Gambisten holen jedenfalls deutlich mehr an Leben heraus, als der Notentext aufs erste Hinschauen zeigt, das gilt für die Tanzsätze (die sogar editiert und auch im Internet kostenlos greifbar sind) ebenso wie für die Gesangsstücke. Ulrike Hofbauer nähert sich den inhaltlich bunt gemischten, literarisch natürlich bedeutungslosen Texten so normal, wie sie es verdienen. Zwischen Sopran und Instrumentalstimmen gibt es immer wieder neckische kleine Zuspitzungen.
„Musicke &Mirth“ ist eigentlich ein Gambenduo (Jane Achtman, Irene Klein), die sich Verstärkung geholt haben für diese Aufnahme. Man spielt Instrumente, deren Gestalt man einem Gemälde von 1540 abgeschaut hat. „Castalius der Brunn“ heißt es, und damit ist eine Frühlingsallegorie gemeint. Auch so ein Anflug von Lustgärtlein.