Himmelsleiter mit vielen Sprossen
CD-KRITIK / TOWARDS HEAVEN
22/02/17 Schon glaubt man, der Besuch beim Therapeuten werde sich nicht länger aufschieben lassen. Jedenfalls fehlt es in Georg Muffats Sonata 2 in g-Moll aus der Sammlung Armonico tributo nicht an Melancholie und Trübsinnigkeit aller Art.
Von Reinhard Kriechbaum
Wenn dann die Oboe herausleuchtet aus der Orchestersuite aus der Oper „Céphale et Procris“ der Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerre will man sich schon ein gutes Stück aus dem Seelensumpf herausgezogen fühlen. Aber ganz ohne Schatten geht es auch da nicht ab. Die überraschend eingesetzte Percussion in der Gigue lässt jedenfalls keine wirklich friedvolle Stimmungslage zu.
Es geht eben ohne Rasanz „Dem Himmel entgegen“ auf dieser CD des jungen „Cölner Barockorchesters“ um den Konzertmeister Andreas Hempel und die Cellistin Evelyn Buyken. Trübe Gedanken wollen verscheucht und Zutrauen in ein besseres Jenseits erst nach und nach aufgebaut werden. Für Stimmungswechsel ist Telemann allemal gut, speziell die Suite „La Changeante“. Da hat der Oboist Robert Herden ausreichend zu tun und ist ein entschiedener Vorkämpfer für gute Laune, die sich ab dem Streichersatz „Les Scaramouches“ erfolgreich breit macht, auch wenn im Mittelteil dieses Auftritts der lustigen Commedia dell'Arte-Figuren chromatische Bassfiguren eher auf Trauer weisen. Auch zu der „Avec douceur“ überschriebenen Episode wird man eher leise Trauer assoziieren: Ein reiches Betätigungsfeld für das ambitionierte Cölner Barockorchester, das sich bei aller Stimmungsmalerei vor Überzeichnung hütet.
Übermütig wird man übrigens im Himmel auch nicht, für den eine weitere Suite von Georg Muffat steht: „Propitia Sydera“ – günstiges Gestirn – ist die Nummer zwölf aus der Sammlung „Exquisitoris Harmoniae Instrumentalis“ von 1701. Eine gestaltreiche Ciacona ist das zentrale Stück, so lang wie die anderen fünf Sätze zusammen.
Auf dem an Sprossen reichen Weg auf der Himmelsleiter kommt man auch an einem Fundstück vorbei: Carl Rosier (1640-1725) war ab 1699 Domkapellmeister in Köln. Ein Jahr später hat er fünfstimmige Sonaten mit quasi solistisch sich entfaltender Oboenstimme veröffentlicht. Gehört auf die To-do-Liste von Bläsern mit Barock-Ehrgeiz.