Der Klingelton für die Flötenuhr
CD-KRITIK / ORGEL / "GASSENHAUER"
15/09/16 Mit Schreibaufträgen à la Handy-Klingeltönen vergleicht der Organist Anton Holzapfel die kleinen Orgelstücke der Wiener Klassiker, und er zeigt auf dieser CD, dass sie trotzdem Wert haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein hübsches Gemälde von dem Franzosen Hugues Merle: Beethoven spielt auf einer Salonorgel, Mozart ist Zuhörer, weist mit einer Hand auf den Künstler und bedeutet den Damen im Raum, leise zu sein. Kleiner Schönheitsfehler: Das Bild des französischen Malers ist erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, da waren historische Ungereimtheiten kein Thema. Aber: Hausorgeln waren den Wiener Klassikern natürlich nicht fremd. Auch für noch kleinere Orgel-Varianten, für Spieluhren mit Walzen, haben sie Auftragswerke geschrieben.
Die Liste der Musikprominenz beginnt mit Carl Philipp Emanuel Bach und seinen „30 Stücken für Spieluhren auch Drehorgeln“. Leopold Mozart hat für's Mechanische Theater im Park von Hellbrunn Jahreszeiten-Stücke geschrieben, für jeden Monat eines. Flötenuhrstücke von Haydn und Beethoven sind bekannte Petitessen. Das Adagio in C-Dur KV 356 und das F-Dur-Andante mit der ganz hohen Köchel-Zahl 616 sind zurecht hochberühmte Werke von Mozart.
Ein feines Instrument für solche Musik hat sich in Eisenstadt erhalten. In einem Wirtschaftsgebäude war sie über Jahre „ausgelagert“, nun ist die Salonorgel aus dem Jahr 1810 mit sechs Registern vorbildlich restauriert und das einzigartige Klangdokument befindet sich wieder im Schloss Esterházy. Immer noch braucht es einen Kalkanten, also einen, der durch Ziehen an zwei Lederbändern den Wind erzeugt.
Die oben genannten Stücke hat Anton Holzapfel auf dem Instrument aufgenommen und noch so manch anderes, was der liebe Gott auf einer Kirchenorgel vielleicht gar nicht so gerne hörte, etwa eine von Josef Woelfl arrangierte Arie aus der Oper „L'amor marinaro ossia Il corsaro“ von Joseph Weigl – Mozart-Schüler unter sich, sozusagen. Martin Vogt ist ein Unbekannter aus der Zeit der Wiener Klassik, von dem man einen reizvollen kleinen Variationenzyklus zu hören bekommt. Sigismund Ritter von Neukomm hat eine Melodie aus Haydns „Schöpfung“ variiert.
Was eint all das? Es sind eben wirklich „Gassenhauer“, die CD trägt ganz zurecht diesen Titel. Wenn man die Stücke so gediegen artikuliert, in den Tempi akkurat und ohne falsche Romantizismen musiziert, dann kommen sie nicht minder vorteilhaft zur Wirkung wie das fein intonierte Instrument. Echte Liebenswürdigkeiten.
Gassenhauer at Esterházy Palace. Anton Holzapfel (Orgel). Orlando Records, or0021 – www.antonholzapfel.at