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Vom Pullover und vom Binnen-I

ARGEKULTUR / OPEN MIND FESTIVAL / PODIUMSDISKUSSION

17/11/14 „Hoit, do is a Spoit“ Herr Ambros ist ein weiser Mann. Einmal kurz in die Luft geschaut, schon läuft man Gefahr in den bodenlosen, geschlechtsneutralen Gender-Gap abzustürzen. Alle Rollenbilder abgelegt, gendert es sich gleich leichter und widerspenstige Kritiker_innen verstummen. Ein ergebnisarmer Abend zwischen Bewusstseinsbildung und diktatorischen Tendenzen.

Von Stefan Reitbauer

„Wer hat Angst vorm Binnen-I?“ heißt es also am Freitag (14.11.) beim Open Mind Festival im Studio der ARGEkultur. Auf dem Podium vier Frauen, zwei renommierte Journalistinnen (Sibylle Hamann, Beate Hausbichler), eine Netzfeministin (Maria Zimmermann) und Sabine Köszegi, Professorin an der TU Wien. Die Fach- und Gender-Einfalt verwundert schon zu Beginn, und alle daran geknüpften Befürchtungen bewahrheiten sich am traurigen Ende, soviel vorweg.

Die genderneutrale Sprache ist das von Beate Hausmann aufgelegte Thema zu Anfang und es beherrscht nahezu die gesamte Diskussion. Und man ist sich von Beginn an einig. Es ist gut, zu gendern. Sibylle Hamann gibt ein Pullover-Gleichnis zum Besten: Angenommen, die Sprache sei ein Pullover und dieser passe irgendwann nicht mehr, dann müsse man am Pullover Veränderungen vornehmen. Die über Jahrhunderte sich entwickelnde Sprache mit einem Strickerzeugnis zu vergleichen ist zumindest mutig, aber warum auch nicht?

Frau Zimmermann beratschlagt im Anschluss daran mit Frau Hausmann, wie man die begrenzte Zeichenanzahl einer Twitter-Nachricht mit sinnstiftenden Botschaften in Einklang bringt. Die Tragweite der Abbildung der Realität durch Sprache versucht Sabine Köszegi darzulegen. Wie man mit Sprache differenzieren kann, verdeutlicht selbige mit den (eben nicht) synonymen Ausdrücken „dumm“ und „nicht klug“. Der vielzitierte offene „Brief der 800“, der im Sommer publik wurde, wird nun erwähnt, man lästert ein bisschen über Konrad Paul Liessmann und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter und ist mit sich und der Welt zufrieden. Das Fazit des ersten Teils: Genderneutrale Sprache ist wichtig, kreative Ausführung wünschenswert und Bewusstseinsbildung absolut notwendig.

In so manchem Gesetz verankert, aber in etwa so konsequent umgesetzt wie die Asylquote in einigen österreichischen Bundesländern, ist die Frauenquote. Sibylle Hamann beschwört die Vielfalt, die immer die besseren Entscheidungen treffe. Professorin Köszegi möchte ihr beipflichten, erzählt dann aber vermutlich irrtümlich von einer Untersuchung, wonach die Zufriedenheit in Symphonieorchestern, in denen nur ein Geschlecht musiziert, größer ist, als in gemischten Klangkörpern. Ratlosigkeit macht sich breit. Die abschließende Diskussion über die Problematik der Geschlechtsstereotypen, die man bereits im frühen Kindesalter abbauen sollte, verebbt recht rasch, dafür macht sich Frau Hamann Sorgen um die Identitätsfindung der Buben. Schlussendlich vereint man sich in der klaren Feststellung, dass nun die Männer am Zug seien und auch vom ehemals starken Geschlecht Hörbares und Brauchbares kommen müsse. Ob nun kein Mann am Podium mitreden wollte oder doch nicht durfte, wäre an dieser Stelle zu klären. Frau Hamann muss plötzlich zum Zug.

Ein so facettenreiches Thema mit einem so begrenzten Horizont an Zugängen zu diskutieren, scheint fahrlässig, aber ist vor allem langweilig. Keine Gegenstimmen (mit Ausnahme einiger kurz besprochener Aussagen aus dem Publikum), keine neuen Ideen, kein Esprit. Dikatorische Gräben tun sich auf, wenn man das Podium frei von Andersdenkenden hält. Eine lebendige, vielschichtige Diskussion sieht anders aus. Aspekte der Sprachästhetik blieben nahezu unbeleuchtet, ein Sprachwissenschaftler hätte einen Abriss über Mechanismen der Sprachentwicklung geben können, ein streitbarer Widersacher am Podium hätte frischen Wind gebracht. Doch so verliefen viele Diskussionsansätze im Sand, Floskeln verpufften zu Schall und Rauch. Die Sprache ist eben wohl doch kein schlichter Pullover, denn man auftrennt, neu strickt und alles ist wieder gut.

 

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