Der Korruption mit Ironie begegnen
LITERATURHAUS / EUROPA DER MUTTERSPRACHEN
27/04/11 „Das korrupteste EU-Land. Die Roma, fünf Prozent der Bevölkerung, werden an den Rand gedrängt. Verfallende Städte, desolate Wirtschaft… Nachrichten über Bulgarien sind fast immer furchtbar. Dieses Image können wir mit unserem Fest nicht verbessern, vieles ist auch tatsächlich nicht zu beschönigen."
Von Heidemarie Klabacher
"Aber Bulgarien ist auch ein
unbekanntes wunderschönes Land mit freundlichen Menschen - und mit einer
faszinierenden Literatur, die die wirtschaftlichen und politischen
Missstände mit schräger Ironie und spielerischer Leichtigkeit auf’s Korn
nimmt.“ So Tomas
Friedmann, Literaturhaus-Leiter und Erfinder des Festivals „Europa der
Muttersprachen“ heute Mittwoch (27.4.) bei der Präsentation des „Bulgarien Festivals“ von 4. bis 6. Mai.
„Wir haben nicht den unmöglichen Anspruch, in wenigen Tagen die Kultur eines Sprachgebiets abzubilden. Wir wollen kritisch und lustvoll Einblicke in europäische Geschichte und Geschichten ermöglichen und neugierig machen auf ein oft unbekanntes Stück Europa."
Die Reihe „Europa der Muttersprachen“ sei 1994 als bewusster Gegensatz zu den Nationalstaaten der „Vaterländer“ ins Leben gerufen worden, erinnert Friedmann: „Seit 1995 werden Schwerpunkte erarbeitet und jährlich wird ein mehrtägiges Festival zur Literatur aus einem europäischen Landm zu einer europäischen Sprache organisiert.“ Mit Bulgarien findet das Festival heuer zum 22. Mal statt. Ziel war und ist es, sich über Texte, Filme, Bilder und Töne zwei- oder mehrsprachig mit der Geschichte und den Geschichten Europas kritisch auseinanderzusetzen. Den Organisatoren gehe es, so Friedmann, auch um Kommunikation: „Zum Konzept gehört es, dass die eingeladenen Autorinnen und Autoren jeweils mehrere Tage in Salzburg bleiben: Neben der Literatur spielt immer auch die Begegnung der Kulturen eine wichtige Rolle.“
Für das dreitägige Festival wurden einige der bedeutendsten Stimmen der bulgarischen Gegenwartsliteratur nach Salzburg eingeladen, darunter Vladimir Zarev, Alek Popov und Georgi Gospodinov. An drei thematisch unterschiedlichen Abenden mit den Motti „Spür.Sinn“, „Sprach.Sinn“ und „Scharf.Sinn“ werden Lesungen und Gespräche geboten, „aber auch Filme und Musik, Essen und Trinken“.
Außerdem wird bis zum Sommer die Ausstellung einer bulgarischen Künstlerin gezeigt: „Die Betrachtung der Frau in all ihren Facetten als Mutter, Geliebte, Frau, Hausfrau, arbeitende Frau“: So beschreibt die bulgarisch-österreichische Künstlerin Sevda Chkoutova selbst den Motivkreis ihrer künstlerischen Arbeiten.
Der erste Bulgarien-Abend am 4. Mai startet um 18 Uhr mit der Filmadaption des gleichnamigen Romans von Ilija Trojanow „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ über die Reise eines bulgarischen Einwanderers quer durch Europa auf der Suche nach seiner Familienvergangenheit und Identität. Ab 20 Uhr lesen die beiden bekannten bulgarischen Schriftsteller Dimitré Dinev und Vladimir Zarev – musikalisch begleitet vom Wladigeroff-Trio.
Der zweite Bugarien-Abend am 5. Mai wird ganz von Frauen bestimmt: Um 18 Uhr erzählt die junge Regisseurin und Drehbuchautorin Zornitsa Sophie in ihrem international preisgekrönten Film „Mila from Mars“ die Geschichte der 16-jährigen Mila, die auf der Flucht vor ihrem tyrannischen Liebhaber in ein geheimnisvolles Dorf gerät ... Um 20 Uhr stellt Ines Schütz in einem kurzen Gespräch mit der bulgarisch-österreichischen Künstlerin Sevda Chkoutova deren Zeichnungen vor, die in der Literaturhaus-Ausstellung bis zum Sommer gezeigt werden. Danch lesen die beiden Dichterinnen Mirela Ivanova und Tzveta Sofronieva
Der dritte Abend am 6. Mail stehe, so Friedmann, „im Zeichen von Wort & Witz“. Um 18 Uhr kombiniert der Schwarz-Weiß-Thriller „Zift“ schwarzen Humor mit sozialistischen Retromotiven. Ab 20 Uhr lesen Georgi Gospodinov und Alek Popov.
Mehr als neunzig Prozent der 700 Millionen Europäer sprechen indogermanische Sprachen, am weitesten verbreitet sind slawische, germanische und romanische Sprachen. Die bulgarische Sprache ist eine der ältesten dokumentierten slawischen Sprachen und gehört zur südslawischen Gruppe des slawischen Zweigs der indogermanischen Sprachen. Sie wird weltweit von rund 10 Millionen Menschen gesprochen (vor allem in Bulgarien, aber auch in Griechenland, Rumänien, Mazedonien, Serbien, der Türkei etc.). Es gibt Dialekte und Einflüsse aus anderen Sprachen (im technischen Bereich auch oft aus dem Deutschen) sowie Regional- und Minderheitensprachen (Türkisch, Romani, Armenisch). Eine Besonderheit ist die Schrift, denn in Bulgarien wird eine eigene Variante der kyrillischen Schrift geschrieben - das bulgarische Alphabet umfasst 30 Buchstaben. Seit dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union (2007) ist die kyrillische neben der lateinischen und der griechischen eine der drei offiziell verwendeten Schriften in der EU.