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Krähen-Quadrillen und Thermoskannen-Tage

RAURISER LITERATURTAGE / RAURIS.LYRIK

10/04/24 Am vierten und vorletzten Tag der Rauriser Literaturtage 2024 hat sich so, aber wohl nicht ganz genau so zugetragen.

Von Jakob Klein

Wenn ein Fremder gegen Mittag den Kirchweg hinaufspaziert wäre, dann hätte er auf der Höhe des Mesnerhauses Stimmen gehört. Er wäre stehen geblieben und über die Schwelle getreten. Dann wäre er die Wendeltreppe hinaufgestiegen und durch eins der beiden Portale eingetreten. Er hätte über die Köpfe hinweg zwei Musiker gesehen, der eine liebkosend ein Saxophon haltend, der andere mit geschlossenen Augen in eine Klangschale vertieft. Der Fremde hätte der mal sanften, mal getriebenen Jagd der Musik zugehört. Er hätte sich nun gesetzt und geduldig auf das Ende der Darbietung gewartet. Dann hätte er einen Mann gesehen, der sich in der ersten Reihe erhebt, angetan mit grauem Mantel, und einer blau gefassten Brille, die ihm ständig von der Stirn stürzt. Aus dessen Mund hätte der Fremde Verse gehört. Atemlose, flatternde, die von Spatzen und Rosmarin, von Schwarzmilan und Jasminblüte erzählen.

Auch ein Handyklingeln hätte er gehört, welches den Mann am Podium nicht aus der Ruhe, sondern höchstens zu einem kleinen Schmunzeln bringt. Er hätte wieder die Musiker gesehen, wie sie die Bühne erklimmen. Diesmal hätte der eine die Klangschale gegen ein Schlagzeug getauscht, auf das er nun mit Palmkätzchen und Hyazinthblüten einschlägt.

Der Fremde hätte sich auf seinem Stuhl zurechtgerückt, endgültig zum Verweilen bereit. So hätte er die Frau gesehen, ebenfalls beschalt, die auf der Bühne Platz nimmt. Er hätte sie beobachtet, wie sie einen Stoß Karteikarten auf ihrem schmalen Holztisch ausbreitet. Hätte miterlebt, wie immer wieder der Tag beginnt, mit jeder Karte von Neuem, aber nie gleich. Sätze hätte er gehört, Sätze wie diesen: „Wo der Biss das Brot schmerzt, das wäre Horrorkosmos.“ Abermals hätte er den Abgang erlebt, den Applaus und das erneute Auftreten der beiden Musiker.

Vielleicht hätte er sich zwischendurch gefragt, warum Dichter alle Schals tragen. Doch dann hätte er den dritten und letzten von ihnen gesehen, der keinen Schal trägt, nur ein Hemd und eine Umhängetasche. Der das Publikum beglückt mit Anekdoten über ein Botanik-Bataillon, über Krähen-Quadrillen und Thermoskannen-Tage. All das eingeschmiedet in eine so leichtfüßig daherkommende Sprache, so leichtfüßig wie auch der Fremde hereingekommen ist, der sich nun leise erhoben hätte und reicher, wacher als zuvor seinen Weg am Kirchweg entlang fortgesetzt hätte...

Es lasen José F. A. Oliver, Anja Utler und Jan Wagner. Es musizierten Werner Zangerle (sax) und Peter Angerer (perc).

Bilder: RLT / David Sailer
Die Rauriser Literaturtage sind am Sonntag (7.4.) zu Ende gegangen. Einzelne Veranstaltungen sind weiterhin über die Website abrufbar. Alle Lesungen und Gespräche werden in den kommenden Wochen von FS1 Community TV Salzburg ausgestrahlt – www.rauriser-literaturtage.at
Für DrehPunktKultur berichten Studentinnen und Studenten von Uta Degner im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2024)“ am Fachbereich Germanistik von den Rauriser Literaturtagen

 

 

 

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