Nicht Vaterländer – Muttersprachen!
LITERATURHAUS / EUROPA DER MUTTERSPRACHEN
05/05/22 Aus einem über viele, viele Jahre mehrtägigen Festival sind längere Themen-Projekte geworden, und heuer ist Europa der Muttersprachen in einen Frühjahrs- und Herbst-Block aufgeteilt. Morgen Feitag (6.5.) zu Gast: Sasha Filipenko.
Seit 1995 findet jedes Jahr im Literaturhaus Salzburg das Festival Europa der Muttersprachen statt. In den ersten zwölf Jahren. Es dauerte stets mehrere Tage, und der Fokus lag auf der Literatur und Kultur eines europäischen Sprachgebiets. Die Reise ging von Tschechien, Italien, Irland, Rumänien über Portugal, Griechenland, Albanien/Kosovo, Baskenland bis zu Norwegen, Bosnien, Türkei. Auch Sprache und Kultur der Roma und Sinti war ein Thema. 2017 ging es um die Ukraine.
Ab 2018 hat der Festival-Gründer, Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann, das Konzept verändert; seitdem konzentriert man sich über einen längeren Zeitraum gesamteuropäisch und in mehreren Sprachen auf bestimmten Themen, etwa auch Grenzen oder die Identität: „Beim Festival wird Europa literarisch vermessen.“ Die Beschäftigung mit europäischer Geschichte und mit europäischen Geschichten in vielen Sprachen wird grenzüberschreitend fortgesetzt, denn für Tomas Friedmann bestehe „Europa nicht aus Vaterländern, sondern aus Muttersprachen.“
„Die europäische Literatur reflektiert mehr denn je Wirklichkeiten politischer Ratlosigkeit, Auswüchse ökonomischer Interessen und Erschütterungen des Ich“, so Friedmann. „Texte entwerfen sprachgewaltig und poetisch, mit Phantasie und Humor Gegenwelten. Autorinnen und Autoren bauen Brücken zwischen Vergangenem und Zukünftigem, zwischen Ost und West, zwischen Erlebtem und Erfundenem ... Quo vadis, Europa?“
Nach Corona-bedingten Ausfällen 2020 und 2021 (so musste u.a. eine Foto-Ausstellung aus Brüssel über die Ränder Europas abgesagt werden) erstreckt sich das Festival 2022 über den Zeitraum Frühling bis Weihnachten. Unter dem Motto Time for change treten in diesem Monat unter anderem Sasha Filipenko (Belarus), Radka Denemarková (Tschechien), Maddalena Fingerle (Italien), Vladimir Sorokin (Russland) und Elyas Jamalzadeh (Iran/Afghanistan) auf. Für den Herbst 2022 sind auch Abende mit ukrainischen Autoren und Autorinnen geplant. Time for change beschäftigt sich besonders mit den Themen Klima, Krise und Krieg.
Morgen Freitag (6.5.) liest der belarussische Autor Sasha Filipenko mit seinem neuen Roman "Die Jagd" im Salzburger Literaturhaus. Nach kritischen Äußerungen gegen die Lukaschenka-Diktatur musste der 1984 in Minsk geborene Autor mit seiner Familie nach Westeuropa flüchten. In seinem neuen Roman „Die Jagd“ (Diogenes Verlag, 2022) geht es um einen Journalisten, der sich mit einem Oligarchen anlegt, worauf dieser den Befehl gibt, ihn fertigzumachen. Auf Deutsch liest Michael Kolnberger. (Literaturhaus/dpk-krie)
Festival Europa der Muttersprachen – www.literaturhaus-salzburg.at
Bild: Literaturhaus Salzburg / Lukas Lienhard