Übersetzerische Notlösung brillant
LITERATURFEST / ABSCHLUSS UND AUSBLICK
31/05/10 Nach einer Lesung der Autorin Alissa Walser aus ihrem neuen Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“, betrat ein unglaublicher Harry Rowohlt die Bühne und hatte die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Sekunde seines Programmes voll im Griff.
Von Eva Bernadette Müller
„Betonung ohne Schausaufen“ war zwar das Motto, dennoch leistete dem Entertainer das eine oder andere alkoholfreie Bier auf der Bühne Gesellschaft... Mit einem bunten Sammelsurium aus Kolumnen, Anekdoten, Ausschnitten aus von ihm übersetzen Werken und kleineren und größeren Witzen zwischendurch faszinierte Harry Rowohlt ebenso, wie mit Irischen Folksongs, hanseatischen Hymnen und Gedichten in englischer Originalfassung und Deutscher Übersetzung. Als "übersetzerische Notlösung" sei er schon bezeichnet worden, „wenn auch als die vielleicht Beste“, wenn es darum geht, "schier Unübertragbares" ins Deutsche zu transferieren.
Besonders faszinierend: „Sie sind ein schlechter Mensch, Mister Gum!“ von Andy Stanton, das der, vielen vielleicht auch aus der Lindenstraße bekannte Kulturallrounder, mit so vielen verschiedenen Stimmen präsentierte, dass man beinahe meinte ein ganzes Schauspielerensemble vor sich zu haben.
Und doch war es "nur" ein weißhaariger, bärtiger Mann, dem man schon nach wenigen Sekunden anmerkte, wie viel er von dieser Welt gesehen hat, der einem in Erinnerung rief, wie viel er der Deutschen Literaturaus dem Englischen geschenkt hatte (Winnie the Pooh, Die Asche meiner Mutter) und der vermutlich der einzige ist, der sind Irische Lieder so zu übersetzen vermag, dass man sie dann auch noch zur Originalmelodie singen kann.
Seine Fähigkeit Dialekte und Stimmen pointiert wiederzugeben (imitieren wäre hier das falsche Wort), und ein erzählerisches Geschick, ließen lachen und staunen: Immer wieder gleitet er vom eigentlichen Handlungsstrang ab, findet doch immer wieder den Bogen zurückfand...
Was das für ein Auftritt war, darüber könnte man sich stundenlang streiten: Konzert, Lesung, Comendy-Programm, Reiseerzählung oder doch Geschichtsunterricht? Wie auch immer, die fast drei unvergesslichen Stunden vergingen viel zu schnell.
3000 Literaturinteressierte haben von 26. bis 30. Mai das dritte Literaturfest Salzburg besucht. „Sowohl die Zuhörerinnen und die Zuhörer (überraschend viele Männer kamen zu den Veranstaltungen, die üblicherweise ja eher weiblich besetzt sind) wie auch die Autorinnen und die Autoren waren spürbar glücklich“, resümieren die Veranstalter. „Dass die grandiosen Unterhaltungskünstler André Heller und Harry Rowohlt ihr Publikum hingerissen haben, war zu erwarten. Dass aber dieses Publikum auch bei den ‚kleineren‘ Lesungen mit so viel Konzentration, Neugier und Zuneigung zugehört haben, war wunderbar zu beobachten. Es ist vor allem auch ein Zeichen dafür, dass es in Salzburg und in der Salzburger Umgebung ein wirkliches Bedürfnis nach diesen lebendigen Begegnungen mit Autorinnen und Autoren gibt.“
Das Literaturfest Salzburg habe - „das haben die Politiker schon bei der Eröffnung zugesichert“ - nunmehr einen festen Platz im jährlichen Kulturkalender der Stadt. Salzburg sei eine „heimliche Hauptstadt der Literatur“, so Jochen Jung, der gemeinsam mit Christa Gürtler und Klaus Seufer-Wasserthal für das Programm verantwortlich war.
Auch das Kinder- und Jugendprogramm locke jährlich mehr Besucher an. Klaus Seufer-Wasserthal: „Heuer ist es uns gelungen, mit Paul Maar einen der Stars der deutschsprachigen Kinderliteratur nach Salzburg zu holen. Die Veranstaltungen mit seiner Tochter Anne Maar haben rund 470 Kinder begeistert. Aber auch die Lesungen mit Monika Helfer und Miro & Bella waren ausgebucht. Der schönste Erfolg aber ist, wenn der Funke überspringt und kleine und große Zuhörer die Texte zuhause weiter- und fertiglesen.“