Wenn eine Lampe an ein Piratenschiff erinnert
LITERATURFEST
28/05/10 Von seiner kindlichen Seite zeigte sich am Donnerstag (27.5.) das Literaturfest abends: Paulus Hochgatterer und Georg Klein boten im Theater in der Druckerei mit ihren beiden Romanen „Das Matratzenhaus“ bzw. „Roman unserer Kindheit“ auf unterschiedliche Weise fesselnde Sichtweisen zweier Literaten zum Thema der Kindheit.Von Magdalena Stieb
Paulus Hochgatterer führt mit seinem Roman „Das Matratzenhaus“ in eine fiktive Kleinstadt in Österreich, namens Furt am See. Dort entfaltet der Autor mit dem Geschick eines wahren Kenners seines Gebietes seines Fachgebietes in die beunruhigende Abgründigkeit der menschlichen Psyche unter einer scheinbar sorglos heilen Oberfläche.
„Volkschulkinder kommen grün und blau geschlagen nach Hause, und wenn man sie fragt was vorgefallen ist, erzählen sie nicht viel, außer dass sie einer schwarzen Glocke begegnet seien. Kommissar Ludwig Kovacs und Psychiater Raphael Horn beginnen ihre Untersuchungen unaufgeregt, für sie sind geschlagene Kinder nichts Ungewöhnliches. Nach und nach zeigt sich die ganze schreckliche Dimension der Vorfälle“, heißt es über „Das Matratzenhaus“. Das Wissen und die Erfahrung eines Psychiaters und Kriminalautors, verbunden mit treffsicherem Humor, vereint sich in Hochgatterers Roman zu einem ebenso unterhaltenden, wie bedrückenden Gefüge, das das Publikum immer wieder auflachen und - wenig später - aufhorchend entgeistert schweigen lässt.
Nach einer längeren Pause an der - nach der Wärme im Gebäude - angenehm lauen und frischen Luft vor dem Theater, fand sich die Zuhörerschaft nach Erfrischungen und erfrischenden Diskussionen, zur zweiten Lesung des Abends ein.
Nur wenige Worte aus dem „Roman unserer Kindheit“ genügten, um die treffliche Einführung von Jochen Jung bestätigen zu können: Georg Klein ist ein Meister der Form. Er offenbart sich in seinem neuesten Roman als Erkunder der Kindheit, der in seiner Erzählweise nicht Antworten bietet, sondern in seinem „altmodischen“ Buch Fragen stellt, deren Beantwortung er dem Leser schuldig bleiben will.
Georg Klein, von akkurater, geordneter, glänzend polierter Erscheinung, lässt dem Leser wahrlich keine Wahl: In einer minutiös exakt festgelegten Lesung zieht der Autor - seine äußerst gekonnte Vortragsweise und einnehmende Stimme zur Hilfe nehmend - die Zuhörer in den Erzählstrom hinein.
Mit virtuos erzeugten Metaphern, die auch dem Wahrnehmungsspektrum eines Kindes entnommen zu sein scheinen, etwa wenn eine Lampe an ein Piratenschiff erinnert, und zum Teil synästhetisch durchdrungener Sprache beweist der Autor, dass er nicht nur ein bloßer Erkunder sondern vielmehr ein wahrer Pathologe der Kindheit ist.
Mit anatomisch genauer Beobachtungsgabe dringt Klein in jedes Detail, in das Innerste einer Kindheit ein, mittels düsterem und sterilem, naturalistisch anmutendem Gestus und „übergenauem Hinschauen“ seziert er Bilder und Eindrücke. „Ein kleiner Teil, in Fetzen gerissen“ breitet sich immer wieder vor den Zuhörern aus und zieht sie in den Bann der Sprachkunst Kleins.
Nicht nur Georg Klein, sondern der gesamte Abend bewies den Zuhörern erneut – die Sprache ist ein Fest, mit vielen Facetten.