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Passt ins Land von Sigmund Freud

STAATSPREISFÜR EUROPÄISCHE LITERATUR / KARL OVE KNAUSGARD

28/07/17 Der Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur 2017 wird traditionellerweise in Salzburg zu Festspielbeginn vergeben, heute Donnerstag (28.7.) war es wieder so weit. Diesmal ging die Auszeichnung an den norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård.

Karl Ove Knausgård leiste mit seinem sechsbändigen Romanzyklus "Min kamp" ("Mein Kampf") erbarmungslos Sezierarbeit an der männlichen Seele, wie sie sich unter den Bedingungen einer europäischen Gesellschaft herausgebildet habe. Und: „Diese Literatur passt gut ins Land von Sigmund Freud“, so die Jury in ihrer Begründung für die Vergabe des mit 25 000 Euro dotierten Staatspreises, der jährlich vom Bundeskanzleramt für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin beziehungsweise eines europäischen Autors verliehen wird, das international besondere Beachtung gefunden hat.

Knausgård ließ sich aus familiären Gründen entschuldigen, an seiner statt verlas die Leiterin des Luchterhand-Verlags, Regina Kammerer, seine Dankesrede. Knausgård schätzt insbesondere Thomas Bernhard und Peter Handke. „In meinen Augen haben die Werke der beiden dazu beigetragen, die Literatur der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu definieren, so wie Herman Broch und Robert Musil dazu beitrugen, die Literatur der ersten Hälfte zu definieren.“ Der Schriftsteller bekennt: „In meinem Kanon ist Österreich eine literarische Großmacht. Anders kann ich ein Land nicht bezeichnen, aus dem Autoren wie Sigmund Freud, Robert Musil Herman Broch, Georg Trakl, Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard und Peter Handke stammen.“ Dass viele dieser Schriftsteller ein kompliziertes Verhältnis zu ihrem Heimatland hatten und dass ein Autor wie Thomas Bernhard es sicher gehasst hätte, in einem Satz genannt zu werden, der gleichzeitig Österreich als literarische Großmacht hervorhebt, sei „ebenso unbestreitbar wie interessant“. Es sei nämlich, so Knausgård, „völlig unmöglich, sich Thomas Bernhard nicht als österreichischen Schriftsteller vorzustellen. Es ist unmöglich, sich Thomas Bernhard als einen britischen oder isländischen oder türkischen Literaten vorzustellen“.

Karl Ove Knausgård über Handke: Eine zentrale Rolle in vielen seiner Werke spiele die ambivalente Rolle der Sprache, ihre verräterische Doppeldeutigkeit. „Sprache ist einerseits Zwang, ein gewaltiges Einordnungs- und Sozialisierungssystem, von dem das Individuelle ausradiert wird, andererseits können wir jedoch nur durch sie Individualität ausdrücken.“

Die Laudatio auf Karl Ove Knausgårdhielt der Literaturkritiker Anton Thuswaldner. Knausgård halte Hitlers „Mein Kampf“ für das „gefährlichste Buch, weil all die paranoiden Vorstellungen politische Wirklichkeit wurden“. Er lese das Buch als Warnung: „Hitler selbst wusste, dass er die Leute niemals mit Argumenten würde gewinnen können.“ Er musste Gedanken einschleusen durch eine Schutzmauer, „die von Vorurteilen, also den allgemeinen, unreflektierten Ansichten, gebildet wird.“ Hitler arbeitete als Einschleichdieb in die Gefühlswelt der Deutschen, um deren Selbstwert zu steigern. „Knausgårds Romanprojekt liest sich wie ein Gegenentwurf zu diesem Vorhaben“, so Anton Thuswaldner. Habe Hitler ein „Idealleben“ beschworen, so bestehe Knausgård „auf seinem Normalleben mit all seinen Verwerfungen, Ungereimtheiten und Fragwürdigkeiten“. Handlungsanweisungen für die Politik ließen sich daraus nicht ableiten. „Dennoch ist das Werk politisch im Sinn einer kritischen Sichtung der letzten Jahrzehnte.“ (BMKK)

Die sechs Romane von Karl Ove Knausgårds „Autobiographischem Projekt“ sind bei Luchterhand erschienen: www.randomhouse.de
Bild: Luchterhand Verlag / Thomas Wågström

 

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