Zum aufrechten Waldviertler
LESEPROBE / PETER REUTTERER / AM THAYASTROM
30/05/14 Im Waldviertel ereignen sich unvorstellbare Dinge rund um den flanierenden Schriftsteller Humbert Cordi. Brisant wird die Geschichte, als Cordi einer rechts orientierten Partei in die Quere kommt. Aus der anfänglichen Liebesgeschichte wird ein Krimialroman: Eine Leseprobe aus „Am Thaystrom. Thaya-Tiber-Tod“ von Peter Reutterer.
Von Peter Reutterer
Wir waren im nächsten Gasthof auf der Rückkehr zum Thayahotel eingekehrt. Ein Regen hatte das Nordland überzogen. Die Männer draußen können ihre Arbeit jetzt nicht unterbrechen, bemerkte Lolli. Ich weiß das von meinem Vater, er war Forstmeister vor seiner Pensionierung. Wir könnten ihn morgen besuchen, wenn du willst. Der Wirt des Gasthauses Zum aufrechten Waldviertler machte einen nervösen Eindruck, sah immer wieder zur Tür hin, als würde er auf Besuch warten. Gehören Sie auch zum Verein Pugna pro Natione auf dem neuen Campus, fragte er, bemüht lächelnd. Endlich gibt es wieder wirtschaftliche Impulse hier in der Gegend, erzählte er ungefragt. Wenn es so weiter gegangen wäre wie letztes Jahr, wäre ich mit meiner Familie nach Wien übersiedelt. Die Wirtshäuser in den umliegenden Gemeinden haben längst kapituliert. Wir bestellten zwei der ortsüblichen knusprigen Schnitzel. Der Wirt ließ sich mangels anderer Gäste nicht abschütteln, gleich nach dem Servieren hatte er sich wieder an unseren Tisch gehockt. Der neue Verein habe einen ganzen Wald in der Nähe des Mühlteiches aufgekauft, erzählte er. Auf einem riesigen Areal habe man nicht nur auf dem Erdboden, sondern ebenso auf Höhe der Baumkronen Festungen errichtet, Campus heiße das Areal, auf dem zwar unter anderem paramilitärische Übungen abgehalten würden, aber auch der neuerliche wirtschaftliche Aufschwung des Landes angekurbelt werde. Endlich gebe es wieder Menschen, die sich auf den Wert der Heimat besännen. Das Land habe ja Tradition, und es sei doch eine Sünde gegen alles Edle, wenn man die zutiefst deutschen Landstriche den slawischen Invasoren überließe. Ja, in Form von Billigarbeitskräften würden diese nun ungehindert die Grenzen überrennen und die ursprünglich deutschen Gebiete okkupieren. Dieses Nordland nämlich sei einst von Norddeutschen besiedelt worden, eben diese hätten den Waldviertler Hochwald gerodet.
Sind Sie Historiker, warf ich ein. Da lachte er, stand auf und kehrte mit einem dunkelgrünen Buch zurück. Das wäre im Land ein neuer Bestseller. Ich blickte auf den Buchumschlag, Heinrich Hirnbach war der Autor, betitelt war das Buch mit Pugna pro Natione. Germanoromanische Ideen zum Abwehrkampf gegen Invasoren aus dem Osten. Klingt fast wie Mein Kampf, ist aber hoffentlich vom Inhalt nicht ganz so idiotisch, brach ich in ein lautes Lachen aus, in das der Wirt nicht einstimmte. Vorurteile hätte ich gegen redliche Ideale, maßregelte er mich vielmehr, er hätte mich wohl falsch eingeschätzt, aber niemand würde dem Siegeszug der PPN Einhalt gebieten können.
Dann fiel mein Blick auf das rückseitige Photo des Autors. Schau, sagte ich zu Lolli, wir haben schon die Ehre mit Herrn Hirnbach gehabt, es war der Polterer, der die Fischerei am Mühlteich kommandiert hatte. Wir gingen bald, um ins Hotel Thaya zurückzufahren, und ließen den endlich verstummten Wirt zurück.
Der Mühlteich war wieder verlassen, das Wasser spiegelte in gewohntem Gleichmut. Lolli ging mit mir über die Wiese am Ufer. Plötzlich blickte sie entsetzt auf das Display und packte meine Hand fester. Ich könnte ihn ermorden, sagte sie. Vielleicht muss ich ihn sogar einmal ermorden, fuhr sie fort, und ihre Stimme versackte in Bitternis. Du weißt ja nicht, wen aller er mit Waffen beliefert. Du weißt ja gar nicht, wer aller hier und dort aufrüstet. Und Alfons stattet alle mit Waffen aus, alle. Und kaum wo steht er mit seinem eigenen Namen gerade, nur dass über sogenannte Tochtergesellschaften all diese blutbeschmutzten Einkommen auf seinen Konten landen. Eben hat er mir mitgeteilt, dass er für Verhandlungen mit Pugna pro Natione aus Wien anreisen müsse und dass er heute Abend meine Begleitung wünsche.
Mein Gott, nimm es nicht so tragisch, kommentierte ich. Wir alle sind ab einem gewissen Alter verheiratet und müssen dafür büßen. Sagt einer, der kein bisschen verheiratet ist, erwiderte Lolli beinahe verärgert. Na gut, mit einer Waffenhändlerin kann ich nicht aufwarten, aber ich war auch zehn Jahre verheiratet. Meine Ehefrau handelte nicht mit Waffen, aber war kaufsüchtig, was mir in den Jahren der Verliebtheit nicht aufgefallen war. Erst so im verflixten siebenten Jahr, als ich des Nachts auf die Toilette wollte und über einen unvermuteten Gegenstand gestürzt war, wurde mir die Brisanz meiner Lebensumstände bewusst. Meine Frau hatte beim Spätabend-Shopping eine Porzellangiraffe erstanden und an diese wohl auch ihr Herz verloren.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Peter Reutterer: Am Thayastrom. Thaya-Tiber-Tod. Kriminalsatire. Bibliothek der Provinz, Weitra 2014. 15 Euro - www.bibliothekderprovinz.at
Peter Reutterer, geboren 1956 in Waidhofen a.d.Thaya, ist Obmann der Salzburger Autorengruppe. Zuletzt ist heuer im Jänner sein Gedicht- und Geschichtenband „Unter dem Himmel und in Berlin“ im Arovell Verlag erschienen.