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Und dann zerreißt es die Hexe

LESEPROBE

02/03/12 Reinhard Kriechbaum hat - nach einem Buch über Weihnachtsbräuche - nun ein Buch über Bräuche in der ersten Jahreshälfte veröffentlicht: "Scheller, Schleicher Maibaumkraxler", erschienen im Verlag Anton Pustet. In dieser Leseprobe erfahren wir, dass der Fasching in Vorarlberg keineswegs mit dem Aschermittwoch zu Ende ist. Der "Funkensonntag" wäre ja eigentlich der erste Sonntag der Fastenzeit, aber in Vorarlberg hält man es wie in der Nachbarschaft, in Basel: Die berühmte Fasnacht wurde dort ja auch erst dieser Tage zelebriert.

Von Reinhard Kriechbaum

Gottlob, was die älteste Erwähnung des „Funkensonntags“ und die damit verbundene Katastrophe betrifft, sind die Vorarlberger aus dem Schneider: Der älteste Beleg für den Feuerbrauch stammt aus dem Jahr 1090. Damals ist das Benediktinerkloster Lorsch (nahe Worms) in Brand geraten, weil Burschen eine brennende Holzscheibe in die falsche Richtung geschleudert hatten.

Da geht es also ums „Scheibenschlagen“, das man an einigen Orten in Vorarlberg, im Tiroler Oberland und im Außerfern am ersten Fastensonntag praktiziert. Vor allem aber widmet man sich zu diesem Termin im Ländle dem Anzünden des „Funkens“. So heißt ein viele Meter hoher, sorgsam geschichteter Holzstoß. Er wird mit Reisig und Stroh gefüllt. Obenauf montiert man die so genannte „Funkentanne“ und an der wiederum ist eine Hexenpuppe befestigt. Die hat es nun wirklich in sich, nämlich Schießpulver im Wamst. Haben die Flammen erst mal von der Hexe Besitz ergriffen, dann fliegt diese mit lautem Knall in die Luft, dass die Funken nur so sprühen.

Ein eigentümlicher Brauch in jeder Hinsicht. Es ist ja schon Fastenzeit, aber die Vorarlberger – für die der „Funkensonntag“ zum Faschingshöhepunkt schlechthin geworden ist – kratzt das überhaupt nicht. Ganz so plötzlich geht hier die „Fasnat“ eben nicht zu Ende. Für die explodierende Hex‘ muss Zeit bleiben. Seit 2010 rechnet der „Funkensonntag“ sogar zum immateriellen Kulturerbe auf der nationalen UNESCO-Liste.

Da wird also mit erheblichem Aufwand in praktisch jeder Vorarlberger Gemeinde ein „Funken“ aufgebaut. In größeren Orten kann es auch vorkommen, dass mehrere Vereine konkurrieren in Sachen „Funken“. Wirklich ein Relikt eines heidnischen Frühjahrskultes? Moderne Volkskundler stellen das aus gutem Grund in Abrede und sehen im imposanten Feuerbrauch bloß ein Nachklingen der Fasnacht. Auch zu Hexenverbrennungen im Mittelalter lässt sich nicht die geringste Verbindung herstellen. Dafür ein ganz profaner, aber landwirtschaftlich-praktischer Gedanke: Im Funken ließ sich allerlei Unrat und Staudenwerk abfackeln, das bei der Frühjahrsreinigung von Haus und Wiese anfiel. Noch heute werden am Funkensonntag alte Christbäume verbrannt.

Junge Burschen ziehen von Haus zu Haus und schwingen Fackeln durch die Lüfte. Vielerorts gibt es ein „Kinderfunken“ zu früherer Stunde. Danach wird der Scheiterhaufen entzündet. Nach der Explosion der Funkenhexe folgt der gemütliche Teil mit Musik und dem Verzehr der Funken-Küachli. Wegen dieses speziellen Hefeteig-Gebäcks nennt man den Tag in Vorarlberg auch Holepfannsonntag oder Küachlisonntag.

Wie andere Fasnachtsbräuche in Vorarlberg ist auch das Funkenfeuer ein Import aus dem schwäbisch-alemannischen Raum (Schweiz, Allgäu, Oberschwaben, Schwarzwald). Ähnliche Feuer gibt es aber auch im Moselfränkischen Raum, bis nach Luxemburg. Die Funkenfeuer sind in den letzten Jahrzehnten zum Vorarlberger Vorzeigebrauch schlechthin stilisiert und auch entsprechend touristisch vermarktet worden.

Weniger populär, aber charakteristisch ist das Scheibenschlagen. Dabei werden Holzscheiben im Feuer glühend gemacht. Mit Hilfe von Stangen oder elastischen Haselstöcken katapultiert man sie von einer Anhöhe, meist über ein schräg aufgelegtes Brett, ins Tal. Dabei wird ein Vers oder eine Widmung für irgendjemanden aus der Dorfgemeinschaft gesprochen. Auch ein Spottvers ist denkbar – dann ist es eine „Schimpfscheibe“. Somit kann man das Scheibenschlagen auch als einen fasnächtlichen Rügebrauch deuten.

Reinhard Kriechbaum: Scheller, Schleicher, Maibaumkraxler. Bräuche in Österreich: Fasching, Ostern, Frühling. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2012. 220 Seiten, 24 Euro - www.pustet.at
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Anton Pustet
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