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Frutti di mare oder Fastenbreze?

LESEPROBE / HERINGSSCHMAUS UND KREUZLSTECKEN

08/03/19 Heringsschmaus und Kreuzlstecken heißt ein neues Buch von Reinhard Kriechbaum. Es geht um Bräuche im Osterfestkreis. Mit dem Fasten ist es am Aschermittwoch losgegangen, wenn auch bei vielen mit einem ordentlichen Fischmenü. Und zum Glück gibt's Fastenbier...

Von Reinhard Kriechbaum

Da müssen wir schon eine Anekdote erzählen, die aber wohl nicht wahr ist: Bayerische Mönche sollen angesichts ihres köstlichen Gebräus Zweifel bekommen haben, ob's nicht doch eine Sünde ist, solche Köstlichkeit in der Fastenzeit zu konsumieren . Also schickten sie ein Fass davon nach Rom, auf dass der Papst selbst koste und entscheide. Ein solcher Transport über die Alpen dauerte Wochen. So lange war Bier damals nicht haltbar. Den Heiligen Vater erreichte ein recht ekeliges Gesöff. „Nachdem er probiert hatte, lobte der Papst die Leidensfähigkeit seiner bayerischen Brüder und gab das Starkbier als Fastentrunk frei.“ So das Seele und Leber erquickende bayerische Narrativ zur Causa Fastenbier.

Wieso aber überhaupt Starkbier, wieso gerade in der Fastenzeit, und wieso auch „Bockbier“? Mit dem gehörnten Tier hat's gar nichts zu tun, es könnte genau so gut Pichler-Bier heißen. Elias Pichler nämlich hieß jener Braumeister, den man 1614 aus der niedersächsischen Hansestadt Einbeck nach München ans Hofbräuhaus holte, seiner Expertise wegen. Das „Ainpöckisch Bier“ nämlich war erstens stärkend – eine doppelte Portion flüssiges Brot sozusagen. Zweitens wurde das obergärige Bier aus Einbeck weit gehandelt. Um die Haltbarkeit zu erhöhen, haben die Einbecker mit hohem Stammwürzegehalt gebraut. Das „Ainpöckisch Bier“ wurde zum Bockbier verballhornt.

Ein Starkbier oder Bockbier ist ein Bier, dessen Stammwürzegehalt über 16% liegt. Sein Alkoholgehalt ist damit 6,5% oder höher. Ein Doppelbock ist ein Starkbier mit einem eingebrauten Stammwürzegehalt von mehr als 18% und einem Alkoholgehalt bis zu 12 Prozent. Alle bayerischen Fastenstarkbiere sind Doppelbockbiere.

Wenn wir schon beim Trinken und beim gleichzeitigen Fasten sind: Die Klosterregel „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ gilt seit dem 16. Jahrhundert. Und sie galt sogar für Trinkschololade. Im Jahre 1569 soll nämlich Papst Pius V. auf die Frage eines Gesandten der mexikanischen Bischöfe, ob ein neuartiges Getränk namens „Xocoatl“ in der Fastenzeit getrunken werden dürfe, befunden haben, dass man auch mit (Trink)Schokolade das Fasten nicht breche. Das Wort des Papstes war damals allerdings nicht das letzte. Die Jesuiten, die über ihre Südamerika-Missionen mit dem Genussmittel Kakao Handel betrieben, waren logischerweise für dessen Konsum, die Dominikaner aber strikt dagegen. Man stritt noch eine Weile um die Schokolade.

Übers Bier wurde nie ernsthaft diskutiert. Als flüssiges Grundnahrungsmittel war es gerade in der Fastenzeit, da tierische Produkte inklusive Fett verboten waren, für Mönche wie für die Bevölkerung als Kalorienspender unverzichtbar. Und wenn's schon „Carne vale“, Fleisch ade, heißt: Alles, was unter Wasser lebte, galt früher als erlaubt. Fisch fand sich also auf den klösterlichen Speiseplänen, aber findige Mönche haben im Mittelalter kurzerhand auch andere am oder im Wasser sich aufhaltende Tiere zu Wassertieren erklärt: Enten landeten auf der Fastentafel, und im Konstanzer Konzil von 1414/18 hat man sogar den Biber und Otter als fischig genug eingestuft, so dass er in der Fastenzeit gegessen werden durfte. Fleisch-Not macht erfinderisch.

Reinhard Kriechbaum: Heringsschmaus und Kreuzlstecken. Geschichten und Bräuche rund um Ostern. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2019. 264 Seiten, 19,95 Euro – www.pustet.at
Bild: Augustiner Bräu Salzburg
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