Vom Urknall und anderen Abenteuern
LESEPROBE / GÜNTER BRUS / VON NIRGENDWO HER BIS NIRGENDWO HIN
13/07/18 Einblicke in die Abstrusitäten des Lebens gewährt Günter Bruns in seinem aktuellen Buch. Lächerlichkeiten, Überraschungen oder Katastrophen bieten Anlass zu kurzen Anekdoten, erzählt mit dem gerade noch nötigen Ernst und dem noch viel nötigeren Unernst. - Hier eine Leseprobe.
VON GÜNTER BRUS
Die Zeit
Im letzten Jahrhundert, also etwa vor neunzehn Jahren, fanden Physiker heraus, daß die Weltzeituhr korrigiert werden müsse. Auf dem Ziffernblatt einer Armbanduhr war die Differenz natürlich nicht erkennbar.Wenn er sich recht entsinnt, ist heute dafür ein Zeitmesser auf atomarer Basis erfunden worden. Wenn man also den Zeitpunkt des Urknalls exakt festlegen will, muß man diese Differenz berücksichtigen. Oder spielt, gemessen an Milliarden Jahren, eine solch kleinste Einheit keine Rolle? Entweder beantwortet ihm jemand diese Frage, oder er wird auf der Stelle verrückt.
Wenn es stimmt, daß es einen Urknall gegeben hat, dann muß er in einem Moment stattgefunden haben. Ein Moment aber ist nicht dehnbar, denn im Nu ist er Vergangenheit. Man rechne nicht das Wetterleuchten des Urknalls dazu, denn er hat gewissermaßen keine Vergangenheit. Er strebte nur der Zukunft entgegen und verursachte letzten Endes unser Vermögen, die Zeit ganz klitzeklein zu korrigieren. Aber wohin führt uns jene Zeit, da die Zeit endgültig ist, also zeitlos.
Das Ende der Weltzeit ist immer verknüpft mit dem Ende der Forschung, wo Jahrhunderte zu Millisekunden schrumpfen. Hinter den sieben Bergen wohnten die sieben Zwerge, wußten aber nicht Bescheid. Sie gründeten die Religion.
Der große Zeiger blieb unvermittelt stehen,
Der kleine aber tickte weiter und weiter
Mit ihm raste er durch Straßen und Alleen
Und er zuckte wie sein kleiner Begleiter
Die Abenteurer
Ein Abenteuerroman beginnt meist mit der Abreise der erfundenen Personen. In ihrer Jugendzeit stach fast immer ein Schiff in See, und bald krachten die morschen Balken. Ein grimmiger Kapitän mit Holzbein und einer schwarzen Augenklappe brüllte Befehle an Bord. Im Laufe der Erlebnisse des Erzählers fiel einem auf, daß weder im Ober- noch im Unterdeck jemals eine Frau an der Abenteuerlust beteiligt war.
Ihr war nicht bekannt, daß eine Autorin einen Abenteuerroman geschrieben hat, aber vielleicht ist dies eine Bildungslücke. Wollen Frauen keine unbekannten Inseln entdecken? Vielleicht liegt es daran, daß der Seemann ein Mann ist, wie der Name ausdrücklich sagt. Dagegen steht die Seejungfrau am Kiel einer Barke, plastisch dargestellt und in Kopenhagen aus wasserfestem Material. Zu Lande suchten die Seeleute ihr Abenteuer auf der Reeperbahn. Dort befriedigten sie ihre Abenteuerlust. Die Reise ins Unbekannte endet fast immer im Heimathafen, ausgenommen in der Poesie des Gordon Pym.
Die Reise geht los, ohne Zweck und Ziel
Da sie nur ein Schreiber so vor sich hin erfand
Die einen schliefen am Bug, die andern am Kiel
Als sie erwachten, erwachten sie an einem Küstenstrand
Mit freundlicher Genehmigung des Jung und Jung Verlages