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„Alle freuen sich, daß es eine Villa ist.“

LESEPROBE / STRAUB / SALZBURG ABSEITS DER PFADE

21/09/17 „Als Germanist habe ich immer wieder literarische Wegbegleiter konsultiert“, verrät Wolfgang Straub im Vorwort seines Buchs „Salzburg abseits der Pfade“. Es ist trotzdem kein Literaturführer geworden. Aber in der Brunnhausgasse, bei einem Blick durch die Blätter auf die Villa Amanshauser, da schlägt der Germanist durch... Eine Leseprobe.

Von Wolfgang Straub

Heute, fast 800 Jahre nach dem Mönchsbergdurchstich des Almkanals, geht es in und um Mönchs- und Festungsberg nicht mehr um Wasserversorgung, sondern um Verkehrssysteme, in erster Linie um den ruhenden Verkehr. In der Brunnhausgasse und benachbarten Wegen finden sich immer wieder Plakate, die gegen die Erweiterung der Mönchsberggarage protestieren. Für die Erweiterung der Altstadtgaragen würde hier ein Baustollen enden, Aufschüttungen von Aushubmaterial, Baulärm, Schmutz und Staub wären die Folgen. Die Diskussion um die Garagenerweiterung ist eine der Fronten in der scheinbar unlösbaren Salzburger Verkehrsmisere, aufgerieben zwischen dem Argument des Parkplatzmangels, der sich auf Handel, Gewerbe und Tourismus negativ auswirke, und dem Hinweis auf die mangelnde Umweltverträglichkeit und die erwartete Generierung zusätzlichen Verkehrs, den das überlastete Salzburger System nicht mehr bewältigen könne. Gut, dass wir zu Fuß unterwegs sind…

In der Brunnhausgasse ein Stück weiter befindet sich der Zugang zu einem Dichtersitz, in dem ein heute zusehends in Vergessenheit geratener, aber aller Lektüre werter Schriftsteller in Zurückgezogenheit lebte. Gerhard Amanshauser wohnte zeitlebens in einem Haus am Abhang des Festungsbergs, das seine Eltern 1926 in modernistischem Stil hatten errichten lassen – das versteckte Gebäude ist nur in der laubfreien Zeit etwas einsehbar. In der Sammlung autobiografischer Aufzeichnungen Als Barbar im Prater (2001) verweist Amanshauser darauf, dass man das Haus stets als Villa bezeichnete, denn „wenn man schon einmal am Mönchsberg oder am Festungsberg wohnt, dann muß man diesen Wohnsitz Villa nennen. Er klingt vornehm, und alle freuen sich, daß es eine Villa ist.“ (Amanshauser 2001, 11) Der abgelegene Wohnsitz – ein „Raum, der weder auf dem Land noch in der Stadt zu liegen schien“, so Amanshauser – kann als Sinnbild für die Lebenssituation des Autors gelten, hielt sich dieser doch stets in Äquidistanz zu allen Gruppierungen des Literaturbetriebs, weswegen man ihm gerne das Etikett „Außenseiter“ umhängte.

Von dieser „Villa“ am Berg leitete Amanshauser seine persönliche Mythologie und Weltanschauung ab, von hier gingen seine Grübeleien, aber auch seine Genauigkeit, seine Widerständigkeit aus. Das begann schon in Kindesjahren und nahm seinen Ausgang etwa an Relikten aus kriegerischen Zeiten, man wohnte schließlich unterhalb einer militärischen Festung: „Als Kinder spielten wir Kugelstoßen mit alten Kanonenkugeln, die bei der Gartenarbeit zum Vorschein gekommen waren: kleine aus Marmor, größere aus Sandstein. Ich weiß nicht mehr, wann ich begann, über die Kugeln nachzudenken. Zuerst war es nur ein Eindruck, eine verworrene Vorstellung, die in einen Zeitabgrund hinabführte: in urtümlich rauchende Kanonenrohre. […] Später sagte ich mir: Diese komischen Spielzeugkugeln sind der tödliche Ernst einer anderen Zeit. Von dahin führt der nächste Gedankensprung zu den Dingen, die wir heute, in der Gegenwart, tödlich ernst nehmen.“ (Amanshauser 2001, 19)

Selbst die Wohnadresse, die Brunnhausgasse, passt der Schriftsteller in sein System der Weltdistanz ein: „Es ist angenehm, in einer Gasse zu wohnen, die nicht nach einem Menschen benannt ist. Trüge sie einen Menschennamen, wie käme ich dazu, einen solchen täglich zu lesen oder zu schreiben? Handelt es sich doch dabei gewöhnlich um den Namen eines prominenten Individuums, das mich nichts angeht, eine moderne Berühmtheit, die mir zuwider wäre, wenn ich sie gekannt hätte.“ (Amanshauser 1999, 60)

Ein kurzes Stück die Brunnhausgasse weiter gibt eine große Wiese den Blick auf das freistehende Krautwächterhäusel sowie das aus der Entfernung schlossähnlich wirkende Seniorenwohnheim Nonntal vor der Kulisse des Untersbergs frei. Das Altersheim ist unser nächstes Ziel, wir können den Weg über die Wiesenwege oder den weiteren Verlauf der Brunnhausgasse nehmen. Bevor Letztere in die Sinnhubstraße einmündet, gibt es beim Haus Nr. 29 noch einen interessanten kulturgeschichtlichen Hinweis: Wo heute das neu renovierte Daunschlössl steht, befand sich im 12. Jahrhundert das „Gut Weingarten“. Das heißt, dass hier an den Hängen der Richterhöhe im Mittelalter Wein angebaut wurde, für den Genuss der Salzburger Domherren (also nicht für den Erzbischof, sondern für das Domkapitel, das Stift, das den Dom und zahlreiche Besitzungen verwaltete). Weiter oben auf der Richterhöhe gibt es seit 2007 wieder Salzburger Wein, die Pfadfinder bauen im Paris-Lodron-Zwinger Frühroten Veltliner an. Die angeblich respektable Weinrarität wird im Gourmetrestaurant „esszimmer“ in Mülln sowie in der „Blauen Gans“ in der Altstadt ausgeschenkt.

Mit freundlicher Genehmigung des Braumüller Verlags
Wolfgang Straub: Salzburg abseits der Pfade. Braumüller Verlag, Wien 2017. 192 Seiten, 14,90 Euro – www.facultas.at
 

 

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